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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Runtersteigen erkannt, vielleicht nicht ihr Gesicht, aber zumindest ihre Beine und ihren Rumpf. Zu ihrem Entsetzen sah Aldís die Umrisse eines hellen Vierecks an der untersten Treppenstufe und tastete instinktiv nach den Briefen ihrer Mutter. Im selben Moment, als sie das Papier berührte, merkte sie, dass wahrscheinlich noch der Brief an Einar, den sie eben gelesen hatte, an der Treppe lag. Was für ein verdammtes Glück, dass der Fremde ihn nicht gesehen hatte, aber sie konnte nicht weiter auf dieses Glück vertrauen, wenn er umkehrte.
    Die Intensität des Lichts wies darauf hin, dass die Person mit der Taschenlampe näher kam. Der Schein wurde hin- und hergeworfen, wahrscheinlich, weil es schwierig war, sich durch den vielen Krempel voranzutasten. Aldís hoffte sehnlich, dass der Fremde nicht auf die Tür der Kammer zusteuern würde. Noch war das Licht zum Glück nicht direkt darauf gerichtet worden. Doch je weiter der Fremde in den Keller hineinging, umso wahrscheinlicher war es, dass er sie entdeckte.
    Ein lauter Knall durchriss die Stille, als ein Gegenstand umfiel. Aldís erschrak zu Tode, konnte sich aber gerade noch den Mund zuhalten, bevor sie einen Schrei ausstieß. Durch das Schlüsselloch sah sie eine Staubwolke im Lichtkegel durch die Luft schweben. Und jetzt hörte sie den nächtlichen Eindringling. Er flüsterte atemlos vor sich hin, als verfluche er seine eigene Ungeschicktheit oder das Gerümpel auf dem Boden. Seine Stimme klang unsicher und ängstlich – anscheinend fühlten sie sich beide ähnlich. Das Licht der Taschenlampe bewegte sich schnell vor und zurück, als wolle der Fremde sich vergewissern, dass niemand außer ihm im Raum war.
    »Ist da jemand? Komm raus«, erklang ein Flüstern.
    Aldís spürte, wie ihr das Herz bis zum Hals schlug. Es war eine Frauenstimme, aber es war unmöglich zu sagen, ob die eines jungen Mädchens oder einer erwachsenen Frau.
    »Ich weiß, dass du da bist«, flüsterte die Stimme stockend, und Aldís schloss daraus, dass das Mädchen oder die Frau selbst nicht ganz von ihren eigenen Worten überzeugt war. Unwillkürlich kreuzte sie die Finger und wiederholte ihre Bitte an den lieben Gott, obwohl ihr das nicht allzu viel Mut gab.
    »Komm raus, ich zeig dir was«, sprach die Stimme weiter. »Wenn ich mit dir fertig bin, weiß jeder, was für eine Schlampe du bist. Du Hure!«
    Aldís schloss wieder die Augen.
    »Komm, ich hab ein Messer. Ein kleines, scharfes Messer. Klein, aber flink.«
    Dann wurde es still. Eine Träne rann über Aldís’ Wange und blieb an ihrer Hand hängen, die sich immer noch vor ihrem Mund befand. Sie hatte nichts, um sich zu verteidigen, doch selbst wenn die Kammer voller Waffen gewesen wäre, hätte sie sich nicht getraut, umherzutasten. In dem verzweifelten Versuch, mehr sehen zu können, presste sie ihr Gesicht so fest an das Schlüsselloch, dass der Abdruck bestimmt tagelang an ihrem Auge zu sehen wäre. Der Druck des kalten Stahls und der beiden Schrauben tat jedoch nicht weh genug, um davon abzulassen. Noch immer war kein Laut zu hören, und als sich der Schein der Taschenlampe drehte und auf die Treppe richtete, hätte Aldís fast vor Erleichterung aufgelacht. Sie biss sich so fest auf die Lippe, dass sie wieder aufriss und der vertraute Blutgeschmack über ihre Zunge kroch. Die Frau oder das Mädchen war auf dem Rückzug. Sie hatte aufgegeben oder war sich sicher, dass niemand im Keller war. Jetzt musste Aldís nur abwarten und durfte sich erst bewegen, wenn sie die Kellerluke zuklappen und danach die Haustür ins Schloss fallen hörte.
    Gespannt konzentrierte sie sich auf die Treppe und den Umschlag, der auf dem Boden an der untersten Stufe lehnte. Die Taschenlampe wurde jetzt auf den Boden gerichtet, um dem Eindringling den Weg zur Treppe zu erhellen, und alles schien gut zu gehen. Geh rauf, geh rauf! Dann blieb das Licht an dem Umschlag mit dem Brief an Einar hängen. Zwei Füße kamen in Aldís’ Blickfeld, die Person bückte sich, und dunkles Haar flatterte vorbei. Für einen winzigen Moment war ein Gesicht zu sehen, das wieder verschwunden war, bevor Aldís sagen konnte, ob es sich um das Mädchen auf dem Foto in Einars Brieftasche handelte. Sie war sich jedoch sicher, dass es ein Mädchen war, denn ihre Bewegungen und ihre schlanken Beine passten nicht zu einer Erwachsenen. Der Umschlag wurde aufgehoben und die Taschenlampe nach oben gerichtet, so dass Aldís fast nichts mehr sehen konnte. Dann fiel der Schein wieder auf

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