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Seelensplitter: Thriller (German Edition)

Seelensplitter: Thriller (German Edition)

Titel: Seelensplitter: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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Vogelzwitschern in den Raum. Dazu das Rauschen von Musik aus einem Kopfhörer, den sich ein Lehrer am Nebentisch ins Ohr gestöpselt hat. Er korrigiert Klausuren und trommelt zum Rhythmus der Musik auf den Tisch.
    Der Schulgong erinnert sie an das Kaufhaus, in das sie als Kind häufig ging, wenn ihr langweilig war. Damals wurden noch durch Lautsprecher Verkäufer zum Telefon gerufen, oder es wurde auf den Ladenschluss um 18 Uhr aufmerksam gemacht.
    Pia kommt mit mehreren anderen Lehrerinnen ins Zimmer und bleibt abrupt stehen, als sie Lina erkennt. Panisch sieht sie sich im Raum um. Dann geht sie auf Lina zu, legt ihre Ledermappe auf den Tisch und sagt: »Kommst du bitte mit? Wir haben dahinten ein Besprechungszimmer.«
    Die Wände des Nebenraums sind mit schlechten Kopien impressionistischer Künstler zugekleistert. In der Mitte ein Tisch mit Deckchen und einer Vase, in der ein Strauß Trockenblumen vor sich hinstaubt.
    »Was willst du?«, fragt Pia und sieht sie misstrauisch an.
    »Mit dir reden.«
    »Ich weiß nichts über Astrids Tod. Das kannst du mir glauben.«
    »Ich habe Carlheim getroffen«, sagt Lina.
    Über Pias Gesicht huscht ein kaum wahrnehmbares Lächeln, doch sofort rückt sie ihre schwarze Brille zurecht und setzt eine versteinerte Miene auf.
    »Und wie geht es dem großen Sigmund Freud?«
    »Nicht so gut«, sagt Lina.
    »Tut mir …«
    »Er wurde ermordet.«
    Das Entsetzen in Pias Gesicht ist echt. Sie senkt den Blick und sagt: »Um Gottes willen! Das muss aufhören!«
    »Ich habe Videofilme gefunden«, sagt Lina. »Es sind Sexvideos. Astrid mit verschiedenen Männern.«
    Pia nickt nachdenklich, als wüsste sie genau, worum es sich handelt. Dann steht sie entschlossen auf und sagt: »Bitte warte hier einen Augenblick.« Sie verlässt den Raum.
    Lina fragt sich, wer sich freiwillig in einen so engen Raum setzt, ohne Fenster und mit schlechten Kopien an den Wänden. Werden hier Schüler verhört? Lehrer vom Direktor abgemahnt?
    Es dauert etwa zehn Minuten, bis Pia zurückkehrt. Sie hält ein Handy in der Hand und drückt es an Linas Ohr.
    »Wir müssen uns treffen«, sagt eine Frauenstimme.
    »Isabel!«
    »Es ist alles anders! Es ist völlig anders, als du denkst, Lina!«
    »Ach ja? Was denke ich denn?«
    »Wir treffen uns heute Abend an den Landungsbrücken. 18 Uhr.«
    »Und was soll das schon wieder?«
    »Unsere Spielregeln«, sagt Isabel. »Entweder machen wir es so oder gar nicht.«
    Lina ist einverstanden. Sie gibt Pia das Handy zurück, verabschiedet sich und geht durch das Lehrerzimmer hinaus.
    Wie wär’s mit ein wenig Normalität?, denkt Lina.
    Seitdem sie Carolins Leiche gefunden hat, ist sie eine Getriebene. Verrennt sich in Sackgassen, irrt durch Labyrinthe und spürt, dass irgendetwas ihr auflauert, etwas Unberechenbares.
    »Es ist alles anders«, hat Isabel vorhin gesagt. Wollen sie ihr eine Beruhigungspille verabreichen? Irgendeine Geschichte auftischen? Es bleibt alles verworren.
    Ob Carlheim in seinem Buch nicht nur Gruppentherapiemethoden vorstellen wollte, sondern seine Fallbeispiele mit unangenehmen Fakten angereichert hat? Musste er deshalb sterben?
    Lina informiert Che Ling über das Treffen, das sie mit Isabel für den Abend verabredet hat.
    »Das hört sich nicht gut an. Wir müssen dich absichern.«
    »Das fällt auf«, sagt Lina.
    »So ein daherschlendernder Chinese fällt nicht auf. Der gehört doch zur Touristen-Skyline.«
    Lina fährt mit der Bahn zur Sternschanze. Die Cafés sind an diesem sonnigen Nachmittag wieder voll von überwiegend jugendlichen Besuchern. Latte-macchiato-Wetter. Auch wenn ein frischer Wind von der Elbe herüberweht.
    Sie bestellt einen Galão und blinzelt in die Sonne. Wieder spielt sie mit dem Gedanken, in ein anderes Land zu ziehen. Vielleicht Portugal? Griechenland? Irgendeine überschaubare Beschäftigung annehmen mit möglichst wenig Verantwortung. Olivenernte? Sie sieht sich in der Hitze auf einer Plantage und weiß, dass diese Überlegungen unsinnig sind. Außerdem spricht sie weder Portugiesisch noch Griechisch. Sie überlegt, wie es mit der Arbeit auf einer kleinen Ziegenfarm wäre, als ihr Handy läutet.
    »Isabel hier. Ich hab das vorhin vergessen zu sagen«, sagt sie. »Selbstverständlich wollen wir den Film. Und alle Kopien.«

    H inter der Tapete leben die Zwerge. Sie graben sich durch die Mauern und haben überall kleine Gucklöcher.
    Der Weiße Drache sagt, wir dürfen sie nicht verärgern. Zwerge können gemein werden, und sie

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