Seine einzige Versuchung
ist vielleicht wirklich besser, wenn ich Ihren Rat befolge.“ Sie war sich inzwischen ihrer und Benthins unangemessen heftigen Äußerungen in seinem Beisein bewusst geworden und deswegen peinlich berührt.
„ Halleluja! “ Benthin konnte sich die erleichterte Bemerkung nicht verkneifen, was ihm einen bösen Blick von Elli einbrachte. Doch das war ihm im Moment einerlei, solange sie nur den Rat des Arztes befolgte.
„Aber nur, wenn ich mich vorher noch von den Vereinsfrauen verabschieden kann!“ Elli wollte das Feld nicht vollständig ohne Widerstand räumen. Selten hatte der Arzt eine Frau mit einem derartigen Freiheitsdrang erlebt und begann zu ahnen, wie aufreibend das Leben an ihrer Seite für einen gewöhnlichen Mann sein musste. Für einen Mann von Benthins Format dürfte sie allerdings durchaus eine interessante Herausforderung darstellen.
So kam es, dass Paulsen Elli zur Suppenküche fuhr. Sie bat ihn, draußen auf sie zu warten, da sie sich nur kurz nach dem Stand der Dinge erkundigen und ihre baldige Rückkehr ankündigen wollte. Ihre Mitstreiterinnen wünschten ihr alles erdenklich Gute, sie solle sich nur ja gründlich auskurieren. Alle waren froh, dass Elli von der immer noch grassierenden Influenza verschont geblieben war - im Gegensatz zu etlichen Besuchern der Suppenküche. Glücklicherweise schien der Höhepunkt der Krankheitswelle inzwischen überschritten zu sein und die Zahl der Erkrankungen nahm langsam wieder ab. Einige Gäste waren inzwischen wieder gesehen worden. Sie waren zwar noch geschwächt, hatten sich aber zäher als vermutet erwiesen und waren dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen. Auch Kabus hatte sich mehrfach nach ihr erkundigt. Elli gab sich größte Mühe, so unbeteiligt wie möglich bei dieser Information zu wirken. Zu ihrer Beruhigung wusste er Bescheid über ihre Erkrankung und dürfte somit keine Veranlassung mehr haben, ihr die geplatzte Verabredung übel zu nehmen. In der Tat hatte er ihre Kolleginnen gebeten, seine Genesungswünsche auszurichten und darum ersucht, sie möge sich melden, sobald es ihr besser ginge - er habe neue Informationen, die die Spendenaktion für die Garnison beträfen.
Nachdem Elli ihre Sachen gepackt und eine kurze Nachricht an Kabus - sie sei in etwa drei bis vier Wochen wieder zurück - zum Briefkasten gebracht hatte, konnte sie beruhigt abreisen. Benthin begleitete sie zum Bahnhof und strich mit seinen Fingerspitzen zärtlich über ihr Gesicht, als er sie verabschiedete. Ungläubig hörte sie die Worte, die er ihr beim Einsteigen in den Zug noch rasch ins Ohr flüsterte:
„Ich vermisse Dich jetzt schon.“ Sie verstand diesen Mann einfach nicht. Einmal war er aufbrausend und ungerecht, dann wieder zärtlich und liebevoll. An ihren berauschenden Traum, in dem er die sinnliche Hauptrolle gespielt hatte, wagte sie kaum noch zu denken. Wie sehr hatte sie gehofft, es möge wahrhaftig so geschehen sein. Ihre Sehnsucht nach ihm war seitdem wieder größer geworden, aber im Grunde hatte sich ja nicht wirklich etwas geändert. Ihre vom Fieber übersteigerte Fantasie hatte ihr lediglich einen Streich gespielt. Sie musste ihrem Mann immerhin zugutehalten, dass er sich große Mühe gegeben hatte, ihr beizustehen, als sie krank war. Er schien weniger zu arbeiten als vorher, kümmerte sich wieder intensiver um Jakob und wirkte deutlich ausgeruhter. Doch im Umgang mit ihr war er beinahe noch distanzierter als früher, fast als habe er Angst, sie könne zerbrechen wie ein rohes Ei. Die Berührung beim Abschied auf dem Bahnsteig war einer der seltenen Momente, in denen er ihr auf körperliche Art seine Zuneigung zeigte. Nun denn, die Zeit der Trennung würde ihnen vielleicht ganz guttun. Und außerdem war da ja noch ihr unbeirrbarer - weniger zurückhaltender -Verehrer…
Kapitel 20
Trotz ihrer anfänglichen Skepsis entdeckte Elli nach wenigen Tagen eine große Liebe zum Meer. Die Wellen schlugen wild und voller Kraft an den Strand, und die Luft war herrlich würzig. Auch das für den Monat März so typische stürmisch-kalte Wetter tat ihrer Begeisterung keinen Abbruch. Sie fühlte sich unbändig und frei, wenn sie am Strand war und mit dem wütend tobenden Wind im Clinch lag. Eigentlich hatten ihr die Kurärzte untersagt, bei diesem stürmischen Wetter nach draußen zu gehen, aber wie es ihrer Art entsprach, setzte sie sich über deren Empfehlungen einfach hinweg und tat, was ihrer Ansicht nach das Beste für sie war. Als sie sich
Weitere Kostenlose Bücher