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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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und Daumenschrauben alles. Vom Sex mit der Königin bis hin zur Blutschande zwischen Anne und ihrem Bruder George Boleyn.
    Der folgende Prozess ist eine Farce, die Annes Bruder George Boleyn dadurch würzt, dass er einen der Anklagepunkte gegen seine Schwester laut verliest – was ihm ausdrücklich untersagt worden ist. Im Angesicht seines sicheren Todes pfeift der Viscount of Rochford auf das Verbot. Der 33-Jährige teilt der zahlreichen, interessierten Zuhörerschaft aus Adel, Londoner Bürgertum und einfachem Volk mit, dass seine Schwester die mangelhafte Manneskraft und die schlechte Performance Heinrichs mehrfach erwähnt haben soll. »Der König hat weder die Tugend noch die Potenz, um eine Frau zufriedenzustellen«, zitiert er Anne Boleyn öffentlich und unter Eid. So kränkt man Löwen.
    Was im Prozess nur ein ohnmächtiger Seitenhieb gegen einen mörderischen Monarchen ist, beschäftigt heute die bereits zitierten Medizinhistoriker.
    Heinrichs zeitweise Impotenz, seine zunehmende Verfettung, offene Geschwüre an beiden Beinen, jähe Stimmungswechsel und gelegentliche Paranoia deuten erneut auf einen schweren Diabetestyp hin – der bei hohem Blutzuckerspiegel auch zu mentalen Aussetzern führen kann.
    Forscher des 19. Jahrhunderts mutmaßten, es handele sich um ererbte Syphilis, die neben unheilbaren Geschwüren ebenfalls Wahnattacken nach sich zieht. Beide Krankheiten beeinträchtigen die männliche Zeugungskraft. Wobei die Syphilis häufig zu Fehlbildungen von Föten und zu Totgeburten führt, was zu den vielen unglücklich verlaufenden Schwangerschaften von Heinrichs Frauen passt.
    Dennoch wird Syphilis, die Geißel des 16. Jahrhunderts und ein Mitbringsel aus Südamerika, heute als Ursache für Heinrichs Probleme ausgeschlossen. In den Aufzeichnungen seiner Leibärzte ist nie von einer Quecksilberkur – der üblichen Behandlungsmethode – die Rede.
    Das Gerücht über eine Geschlechtskrankheit verbreitet erst die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts. Im bürgerlichen Zeitalter liebte man die Diagnose Syphilis bei Herrschern. Es gibt kaum einen Monarchen von Weltrang, dem man sie damals nicht unterstellt hat. Sicher, es gab mehrere Beispiele, aber jetzt übertreibt man gewaltig und genüsslich.
    Zum einen, weil es zu Zeiten Queen Victorias verklemmt zugeht und Sex in alles hineinfantasiert wird (siehe Freud), zum anderen, weil das Verdikt Machtmissbrauch dank »Gehirnerweichung« im erfolgreichen Bürgertum sehr beliebt ist. Eine kleine späte Rache für Jahrhunderte der Unterdrückung.
    Seien wir also auf der Hut in Sachen wahnsinnige Tyrannen. Es gab sie, aber viele waren erschreckend normal. Unter den von ihnen beherrschten Umständen.
    All das ist kein Trost für Anne. Anno 1536 wird ihr allein – der Großhure – die Schuld an aller Unbill des Königs gegeben. Das Gericht – unter dem Vorsitz ihres eigenen Onkels Thomas Howard, Herzog von Norfolk – kommt zu einem einhelligen Urteil: Tod wegen Hochverrat, entweder durch das Beil oder durch Verbrennung.
    Nur ein Peer muss während der Urteilsverkündung bleich den Saal verlassen, um sich zu übergeben. Es ist William Percy, der Exverlobte von Anne Boleyn. Einer ihrer gefühlvollsten und treuesten Verehrer, wie es scheint. Seine eigene Ehe, die er kurz nach der Auflösung seiner Verlobung mit Anne gezwungenermaßen eingegangen ist, ist die Hölle. Beide Eheleute verabscheuen sich von Herzen. Percys Frau treibt das einzige Kind, das sie von ihm empfängt, eigenhändig ab.
    Was wäre aus Anne und ihrem treuen William geworden, hätte man ihnen die Ehe gestattet? Vielleicht ein glückliches Paar von Landedelleuten, die gelegentlich den Hof besucht hätten, um sich über den dummen Klatsch von Höflingen zu wundern.
    Stattdessen wird Königin Anne Boleyn nun zum Gossengeschwätz. Das Hexengerücht lebt dank des Sensationsprozesses in London wieder auf, wird aber von offizieller Seite nicht bestätigt, obwohl Heinrich selbst daran glaubt. Sein Berater Thomas Cromwell will hingegen vermeiden, dass die englische Kirchenreformation, die Anne unterstützt hat, als Werk zauberischer Mächte in Misskredit gerät. Ihm geht es schließlich um eine heilige Sache.
    Und darum, die 800 Klöster und Abteien Englands zu enteignen, um Heinrichs leere Staatskassen zu füllen. Mit dem ungeheuren Vermögen und den Ländereien der Kirche lässt sich einiges finanzieren. Außerdem fallen dabei großzügige Schenkungen für treue Anhänger des Königs – etwa

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