Sex and Crime auf Königsthronen
Burgund, nimmt sich ein Beispiel. Der gutkatholische Niederrheiner erhält den sprechenden Beinamen »der Kindermacher«. Er bringt es auf angeblich 63 uneheliche Sprösslinge. Die sexuellen Eskapaden haben politische Folgen. Die Steuerzahler seines Herzogtums Kleve proben 1496 den Aufstand, weil Johann viele der Bastarde auf ihre Kosten unterhält. Die Aufzählung ließe sich in beliebiger Länge fortführen.
Gut geheuchelt ist es also schon, wenn im Jahr 1558 die neuprotestantischen Reichsfürsten erstaunt reagieren und empört tun, als Wilhelm von Oranien sich freimütig zum Konzept der offenen Ehe bekennt. Allen voran und im Namen des Luthertums übrigens Anna von Sachsens kurfürstlicher Ziehvater August.
Dabei sind gerade Reichstage für die Sündenfälle seiner Familie bekannt. Gönnen wir uns der Gerechtigkeit halber einen Blick auf die lutherischen Schwerenöter in Anna von Sachsens Verwandtschaft. Es lohnt sich.
Sächsische Ausschweifungen und ein sexuell hyperaktiver hessischer Reichsfürst
Bei einem Reichstag des Jahres 1550 in Augsburg streiten Karl V. und die protestantischen Kurfürsten wieder mal heftig um die Anerkennung des Luthertums. Man beschließt außerdem eine Münzreform, die Einführung des Kreuzers, die Vertreibung aller Zigeuner und bestätigt noch einmal die Todesstrafe für Safranfälscher.
Nebenher amüsiert man sich – unabhängig von der Konfession – königlich.
Fürst Moritz von Sachsen, also der Vater der damals sechsjährigen Anna von Sachsen und späteren Ehefrau Wilhelms. Nach hitzigen Polit-Diskussionen über den rechten Glauben und gefälschte Gewürze sucht Moritz die Bekanntschaft vieler bayerischer Frauenzimmer. Unter anderem badet er fast täglich mit der Tochter seines Herbergsvaters. Gern steigt er auch zu dritt mit Jungfer Jakobine und einem Adelskumpel in die Wanne. Nicht aus hygienischen Gründen. In Dresden gibt Annas Papa sich züchtiger und predigt öffentlich anderen Adelssündern gern die neue Moral.
Etwa dem Landgrafen Philipp von Hessen (1504–1567), seinem Schwiegervater und Anna von Sachsens Opa, ebenfalls ein Lutheraner. Der hat sich 1540 nach sechzehn Ehejahren zusätzlich zu Frau Nummer eins, mit der er neun Kinder gezeugt hat, eine zweite, siebzehnjährige Gattin genommen. Fürderhin lebt er bis 1566 eine Ehe zu dritt. Gattin Nummer eins bekommt im Rahmen der Ménage à trois einen letzten Sohn von ihm, Ehefrau Nummer zwei zehn weitere Kinder.
Seine Bigamie begründet der Landgraf so: Er habe zu Frau Nummer eins »nie liebe oder brunstlichkeit« empfunden, da sie »unfreundtlich und heslich« gewesen sei und »auch übel roch«. Die althergebrachten Argumente halt.
Fürstliche und königliche Ehe-Annullierungsakten sind voll von ähnlichen Verunglimpfungen lästiger Gattinnen. Ganz ernst muss man sie nicht nehmen. Erst recht das Geruchsargument ist anrüchig. Es ist ein seit dem Mittelalter häufig gebrauchtes Stereotyp, aber kein Beweis dafür, dass adlige Ehefrauen sich nachlässig gewaschen haben. Sie erinnern sich vielleicht, dass Heinrich VIII. ähnlich über Anna von Kleves Körperhygiene herzog.
Ludwig XII. von Frankreich gibt bei seinem Trennungsantrag in Rom 1498 ebenfalls zu Protokoll, seine Königin Johanna sei ein übel riechender Schmutzfink. Nehmen wir zugunsten der genannten Royals an, dass sie ihre Zweckbräute schlicht nicht riechen konnten oder dass die Pheromone verflogen waren.
Zurück zur heimlichen Doppelehe des Landgrafen Philipp von Hessen. Gern wäre er Frau Nummer eins ganz losgeworden, aber der Fürst ist Deutschlands führender Protestant, weshalb ein Dispens vom Papst nicht infrage kommt. Dumm gelaufen.
Luther hat die Ehe als heiliges Sakrament zwar gestrichen und nennt sie »ein weltlich Ding«, ist in puncto Scheidung aber alles andere als ein lockerer Vogel. Mit Geld und fadenscheinigen Gründen wie Geruchsbelästigung durch die Gattin ist bei ihm in Sachen Trennung nichts zu machen.
In einer Predigt vom Ehestand stellt der Reformator 1525 ausdrücklich fest, dass »Aussatz oder stinkender Atem« keine Scheidungsgründe sind. Exmönch Martin kannte seine Pappenheimer! »Du sollst deine Frau nicht achten wie ein Fußtuch«, lautet ein weiteres Credo Luthers, der als Kind seiner Zeit freilich auch übliche Ansichten über die Rechte und Pflichten von Ehefrauen hinterlässt. Etwa: »Will die Frau nicht, so komme die Magd.«
Wie auch immer. Um religiös begründet und halbwegs legal zu einer neuen Gattin zu
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