Shannara IV
einem trockenen Blatt über die Erde gewirbelt wurde, und er hielt es für das Ende allen Seins. Als sein Tastsinn und seine Stimme wiederkehrten, spürte er noch einmal den Schmerz, der ihn laut schreien ließ.
»Par?«
Er hörte die Stimme, und dann war sie wieder verklungen - Colls Stimme. Aber diesmal sah er Coll in seinem Traum, ausgestreckt vor einer Felsengruppe, leblos und blutüberströmt, mit Augen, die ihn anklagend ansahen. »Du hast mich allein gelassen. Du hast mich verlassen.« Er schrie, und die Magie des Wunschlieds warf ihre Bilder überall hin. Aber die Bilder verwandelten sich in Ungeheuer, die sich umwandten, um ihn zu verschlingen. Er spürte ihre Zähne und ihre Klauen. Er spürte ihre Berührung…
Er erwachte.
Regen tropfte auf sein Gesicht, und er öffnete die Augen. Dunkelheit umgab ihn und das Gefühl, daß er nicht allein war, ein Gefühl von Bewegung um sich herum und der Geschmack von Blut. Er hörte Schreie, Stimmen, die gegen die Wut eines Sturms anzuschreien versuchten. Er stand auf, würgend, speiend. Hände drückten ihn wieder nieder, glitten über seinen Körper und sein Gesicht.
»… wieder wach, haltet ihn…«
»… zu stark, als besäße er die Kraft von zehn…«
»Walker! Schnell!«
Bäume brachen im Hintergrund, gigantische Gewächse erhoben sich in das beängstigende Schwarz, der Wind heulte aus allen Richtungen. Sie warfen Schatten an die Felswände, die ihnen den Weg versperrten. Par hörte sich schreien.
Die zuckenden Blitze und der rollende Donner erfüllten die Finsternis mit Klängen des Wahnsinns. Eine riesige rote Welle verschleierte seinen Blick.
Plötzlich erschien Allanon - Allanon! Er kam aus dem Nichts, in schwarze Gewänder gehüllt, eine Gestalt aus uralter Zeit. Er beugte sich zu Par nieder; seine Stimme war ein Flüstern, dem es irgendwie gelang, durch das Chaos zu dringen. »Schlaf, Par«, murmelte er beschwichtigend. Eine knochige Hand berührte Par, und das Chaos löste sich in nichts auf und wurde abgelöst von einem grenzenlosen Gefühl des Friedens.
Par trieb wieder weg, weit in sein Selbst hinein, doch jetzt kämpfte er, weil er spürte, daß er leben konnte, wenn er es nur wollte. Ein Teil von ihm erinnerte sich an das Vergangene - daran, daß die Werbestien ihn gefangengenommen hatten, daß ihre Berührung ihn vergiftet, das Gift ihn krank gemacht und die Krankheit ihn in einen schwarzen Abgrund gestürzt hatte. Walker war gekommen, um ihn zu holen, hatte ihn gefunden und vor den Bestien gerettet. Er sah Ondits riesige gelbe Augen, die ihn warnend anblinzelten, bevor sich seine Lider senkten. Er sah Coll und Morgan. Er sah Steff, sein zynisches Lächeln, und Teel, die still wie immer war.
Er sah das mädchenhafte Schattenwesen, das wieder um eine Umarmung bat und versuchte, in ihn einzudringen. Er spürte, wie er sich wehrte, sah, wie sie zurückgeworfen wurde, beobachtete, wie sie verschwand. Himmel! Sie hatte versucht, in ihn einzudringen, sich Zugang zu ihm zu verschaffen und er selbst zu werden! Das war es also, dachte er in einem Anflug von Verstehen - körperlose Schattenwesen ergriffen Besitz von den Körpern von Männern, Frauen oder Kindern.
Aber hatten Schattenwesen ein eigenes Leben?
Seine Gedanken kreisten um nicht zu beantwortende Fragen. Sein Geist schlief, und seine Reise durch das Land der Träume ging weiter. Er kletterte auf Berge, die von Kreaturen wie dem Nager bewohnt waren, überquerte Flüsse und Seen aus Nebeln und unsichtbaren Gefahren, durchwanderte Wälder, in die kein einziger Lichtstrahl drang, und geriet in Sümpfe, in denen sich Nebelschwaden in luftlosen, leeren Hexenkesseln bewegten.
»Helft mir«, bat er. Aber es war niemand da, der ihn hätte hören können.
Die Zeit schien stehenzubleiben. Die Reise nahm ein Ende, und die Träume lösten sich in nichts auf. Nach einer kurzen Pause kam das Erwachen. Er wußte, daß er geschlafen hatte, aber nicht, wie lange er geschlafen hatte. Er wußte lediglich, daß, nachdem die Träume geendet hatten, er in einen traumlosen Schlaf gefallen war. Wichtiger war jedoch das Wissen, daß er lebte.
Behutsam streckte er eine Hand aus, spürte die Weichheit von Bettwäsche und wußte, daß er ausgestreckt auf einem Bett lag, warm und geborgen.
Dann öffnete er die Augen. Er befand sich in einem kleinen, spärlich eingerichteten Raum, der von einer Lampe erhellt wurde, die auf einem Tischchen neben seinem Bett stand. Die Wände des Zimmers waren kahl, die
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