Shannara VII
immer schwächer. Bald bildeten Überhänge und Vorsprünge ein Dach, das sie fast vollkommen abschloß. Aber der Hohlweg war so voller Ritzen, daß nahezu an jeder Ecke etwas Helligkeit hineinfiel. Ihre Augen gewöhnten sich rasch an das Zwielicht, und sie konnten weitergehen. Sie stellten fest, daß die Vögel oben, wo die Wände weiter auseinander standen, mehr Raum zur Verfügung hatten. Sie fanden weiße Federn und Reste von altem Gras und Geäst, die möglicherweise für den Bau von Nestern hineingetragen worden waren. Die Nester würden jedoch sicherlich weiter oben sein, wo es mehr Luft und Licht gab. Die Gruppe drängte weiter.
Nach einer Zeitlang waren die Überhänge so niedrig, daß sie gebückt weitergehen mußten. Dann verzweigte sich der Hohlweg nach links und rechts. Preia wies sie an zu warten und ging nach rechts. Nach einiger Zeit kehrte sie zurück und führte sie nach links. Bald darauf verbreitete sich der Hohlweg wieder, und sie konnten aufrecht stehen. Auch das Licht weiter vorne wurde heller. Sie näherten sich dem Ende dieses Durchgangs.
Nach fünfzig Metern öffnete sich die Spalte auf einen gewaltigen See hin. Die Wasserfläche stand so plötzlich vor ihnen, daß sie an Ort und Stelle stehenblieben und ihn anstarrten. Er ruhte in einem gewaltigen Krater, und sein Wasser war absolut ruhig; nicht einmal die kleinste Welle war zu sehen. Darüber spannte sich der Himmel, eine wolkenlose, blaue Kuppel, die sowohl Licht als auch Wärme in den Krater leitete. Sonnenstrahlen spiegelten sich auf dem Wasser, und der See gab die Bilder der umstehenden Berge in allen Einzelheiten wider. Tay suchte mit Hilfe seiner Magie die Klippen ab und fand hoch oben in den Felsen die Nester der Seevögel. Es waren jedoch keine Vögel zu sehen. Nichts regte sich im Schutz der Bergwände und über der glatten Oberfläche des Sees, und es herrschte eine Stille, die gewaltig und vollkommen war und gleichzeitig so zerbrechlich wie Glas.
Nach einer kurzen, eiligen Unterredung mit Jerle führte Preia Starle sie am linken Seeufer entlang. Das Ufer bestand aus einer Mischung aus zerbrochenen Felsstücken und flachen Felsvorsprüngen, und das Scharren ihrer Schuhe auf dem Boden hallte in der gähnenden Tiefe des Kraters schaurig wider. Tay ließ seine Magie umherstreifen, während sie gingen, ließ sie nach Fallen und versteckten Gefahren suchen. Statt dessen fand er jedoch Strahlen einer Erdkraft, die so stark und so alt waren, daß sie sein zerbrechliches Netz zerstörten und ihn zwangen, es immer wieder erneut aufzubauen. Er rief Jerle zu sich und warnte ihn. Gewaltige Magie war hier am Werk, so alt wie die Zeit und genauso fest verankert. Sie bewachte den Krater und alles, was dazu gehörte. Tay hatte zwar nicht das Gefühl, daß von ihr eine direkte Gefahr ausging, aber er konnte auch ihre Quelle nicht ausmachen oder ihren genauen Zweck bestimmen. Es wäre klug, bei ihrem weiteren Vorstoß besondere Vorsicht walten zu lassen.
Sie marschierten weiter, bis sie beinahe die Hälfte des Sees umrundet hatten. Immer noch gab es kein Zeichen von Bewohnern dieser Anlage. Weder Tay noch Vree Erreden vermochte zu entdecken, was sie suchten. Die Sonne war inzwischen über den Felsenrand gekrochen und brannte direkt auf sie nieder; ein Feuerball vor dem tiefen Blau. Sie konnten nicht nach oben schauen, ohne geblendet zu werden, und so hielten sie ihren Blick nach unten gerichtet, als sie weitergingen.
Es war zu dieser Zeit, kurz vor Mittag, als Tay Trefenwyd den Schatten sah.
Er hatte sich kurz vom Wasser entfernt und auf eine etwas höher gelegene Fläche begeben. Die Sonne spiegelte sich grell auf der immer noch reglosen Wasseroberfläche, und er wollte einen ungestörten Blick auf das andere Ufer des Sees werfen. Während er nach einer Position suchte, die das blendende Licht etwas mindern würde, sah er, daß der Schatten eines Felsvorsprungs über die ganze Länge des Sees hinweg auf Klippen fiel, die mehrere hundert Meter weit vom See entfernt lagen. Die Spitze dieses Schattens kletterte an einer Felswand empor und endete dann in einer engen Schlucht. Irgend etwas an dieser Schlucht erregte Tays Aufmerksamkeit, und er sandte seine Magie aus, um die Öffnung zu erforschen.
Was er fand, waren Schriftzeichen, die oben in den Felsen gemeißelt worden waren.
Schnell ging er weiter, um Preia Bescheid zu geben, und gemeinsam wandte sich die kleine Gruppe vom See ab und ins Landesinnere. Wenige Augenblicke später standen sie
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