Sie sind mein Glücksstern, Georgina (German Edition)
dem Sie nicht wussten, ob es wirklich existierte – publik würde? Dass ich zur Freude des Pöbels versuchen könnte, mein Erbe einzufordern? Dass der Pöbel, der augenblicklich wieder vor diesem Haus demonstriert, ein Sprachrohr bekommen könnte?”
Sidmouth nickte.
“Ihnen war bekannt, dass Prince Frederick diese Ehe geschlossen hatte, um seinen Vater zu brüskieren, auch, dass Anne Jesmond später abgefunden wurde – entweder mit Geld oder mit Drohungen. Dennoch gelang es ihr, im Besitz der Heiratsurkunde zu bleiben. Ein so gefährliches Staatsgeheimnis, dass Sie nicht einmal Beauchamp oder die anderen Duckmäuser einweihten. Sie befürchteten, ich könnte mein Wissen skrupellos ausnutzen.”
Sidmouth, der das Schriftstück immer noch in der Hand hielt, nickte wieder.
“Zu Ihrer Information”, fuhr Jesmond fort. “Ich beabsichtige nicht, Cousin George zu entmachten. Für kein Geld der Welt möchte ich ein Mitglied der königlichen Familie sein. In jungen Jahren hätte mich mein Wissen vielleicht gereizt, aber heute bin ich älter und weiser und zufrieden mit meinem Leben. Durch eigene Anstrengungen bin ich ein reicher Mann geworden. Auch als ich die Urkunde fand, hat sich für mich nichts geändert. Aber nun geben Sie sie mir zurück. Sie gehört mir!” Jesmonds Gesichtszüge und seine Stimme hatten plötzlich etwas von der Arroganz seines königlichen Cousins. Sidmouth gehorchte ihm unwillkürlich.
Jesmond lächelte wehmütig. “Mit dem, was ich nun tue, begebe ich mich möglicherweise in Gefahr – aber was soll’s –, ich möchte ein ruhiges Leben mit der Frau, die ich liebe, führen. Sie sind ein Ehrenmann, und ich vertraue Ihnen, dass Sie sich an die Abmachung halten.”
Gegenüber dem Schreibtisch brannte ein Kaminfeuer. Festen Schrittes ging Jesmond an Lord Sidmouth vorbei und warf die Heiratsurkunde, den Beweis seiner untadeligen königlichen Herkunft, in die Glut. Mit gesenktem Haupt sah er zu, wie die Flammen aufloderten und die Urkunde langsam zu Asche zerfiel.
Sidmouth sah Jesmond sprachlos an.
Dieser verbeugte sich leicht. “Anne Jesmonds Geschichte ist Vergangenheit. Mylord. Von mir haben Sie nichts mehr zu befürchten. Meine Verbindung zur königlichen Familie werde ich nie erwähnen. Ich vertraue Ihnen, dass weder ich noch meine Nachkommen – falls ich welche haben sollte – je wieder von Ihnen belästigt werden.”
Sidmouth starrte Jesmond immer noch ungläubig an. Schließlich erklärte er: “Fürderhin können Sie in Frieden und unbehelligt von uns leben. Sir, das Vaterland dankt Ihnen.” Er zögerte. “Bevor Sie gehen, Sir, verraten Sie mir noch eins: Wie haben Sie Beauchamp gezwungen, Ihnen Zutritt zu meinen Räumlichkeiten zu gewähren?”
Jesmond lächelte verbindlich. “Nun, Mylord, ich habe ihn mit seiner eigenen Krawatte die Kehle zugeschnürt – eine Methode, die von Londons Dieben praktiziert wird. Ich wollte Beauchamp allerdings nur einschüchtern.”
Man hatte Sidmouth noch nie lachen hören – nun aber lächelte er zumindest. “Ich bin froh, dass Sie ihn am Leben gelassen haben. Er ist gewissenhaft, aber fantasielos.”
“Darf ich mich jetzt verabschieden?”, fragte Jesmond.
“Sicher. Sie haben mein Wort.”
Jesmond verbeugte sich und drehte sich um. Die Hand schon auf der Türklinke hörte er, wie Sidmouth hinter ihm sagte: “Es ist schade, Königliche Hoheit, dass ein Mann mit Ihren Fähigkeiten England nicht regieren kann.”
13. KAPITEL
Die Welt sah auf einmal ganz anders aus, als Jesmond am nächsten Morgen durch Londons Innenstadt zu Smythes schäbigem Büro wanderte. Er, dem bislang stets der Makel einer illegitimen Affäre zwischen einem Mitglied der königlichen Familie und einer wenig tugendhaften Dame angehaftet hatte, hatte plötzlich entdeckt, dass er der legitime Nachfahr eines Prinzen und Anwärter auf den englischen Thron war. Lord Sidmouth hatte ihn gar mit ‘Königliche Hoheit’ angeredet, und zwar nachdem der Beweis seiner rechtmäßigen Abkunft den Flammen übergeben war. Und wer bin ich nun, fragte sich Jesmond. Niemand anderes als Jesmond Fitzroy. Ein Landedelmann, der auf seinen einwandfreien Stammbaum und seine Urgroßmutter stolz sein konnte. Jesmond Fitzroy, der auf dem Wege war, zu verhindern, dass die Schwachen von den Skrupellosen ausgebeutet wurden.
Smythes Büro sah genau so aus, wie Jesmond es sich vorgestellt hatte: ein kleiner schmutziger Raum, in der Ecke, am Stehpult, kratzte ein glatzköpfiger Schreiber
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