Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)
der Dunkelheit sehen – oder zumindest ihr Kielwasser. Das Wasser kochte und bewegte sich, während sie träge Kreise schwamm.
Mercedes Thompson. Ihre Stimme erklang in meinem Kopf.
Ich setzte mich mit einem Bums auf den Boden, in der schwachen Hoffnung, es ihr so schwerer zu machen, mich ins Wasser zu bekommen. Kojote hatte ein wenig überstürzt geurteilt, als er mich für immun gegen ihren Einfluss erklärt hatte. Vielleicht konnte sie mich nicht dazu bringen, meine eigenen Kinder zu ertränken – und Jesse war, halleluja, hundertfünfzig Kilometer entfernt. Aber sie konnte mich zu sich rufen und sie konnte mit mir sprechen.
Ich dachte so eindringlich wie möglich: Fall tot um.
Mercedes, sagte sie wieder. Ihre Stimme fühlte sich in meinem Kopf an wie kühle Flüssigkeit und löste höllisches Kopfweh aus. Hörst du mir zu? Siehst du, was ich dich sehen lassen will?
»Hörst du sie?«, fragte ich Adam.
Er sah auf den Fluss hinaus.
»Nein.« Ich streichelte ihn, dann tippte ich mir wieder an die Schläfe. »Sie ist hier drin.«
Seine Zähne leuchteten in der Dunkelheit.
MacKenzie Hepner war vor vier Tagen acht geworden. Sie sollte zusammen mit ihrem kleinen Bruder im Zelt sein, aber etwas hatte sie aufgeweckt. Sie zog ihr Nachthemd hoch und watete in das kalte Wasser. An ihrem Arm konnte sie das Mal erkennen, dass das Seegras hinterlassen hatte, als sie zu weit in
den Fluss hinausgeschwommen war und ihr Stiefvater nach draußen schwimmen musste, um sie zu retten. Es hatte dafür gesorgt, dass sie ihre Einstellung zu ihrem Stiefvater nochmal überdachte. Er hatte sie nicht mal angeschrien, sondern sie nur fest umarmt. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie verstanden hatte, dass auch er Angst gehabt hatte …
Siehst du, was ich dich sehen lassen will, Mercedes?
Ich fing an, panisch zu keuchen. Ich hatte von der unglücklichen Janice und ihrer Familie nicht nur geträumt. Der Flussteufel hatte mir hinterher die Details geschickt. Vielleicht war es nicht mal Absicht gewesen. Vielleicht. Aber sie waren real gewesen und diese Achtjährige namens McKenzie war ebenfalls real.
Ich lehnte meine Stirn an Adam und erzählte ihm, was passierte, sagte ihm die Worte in dem Moment, in dem sie sie mir eingab, und beschrieb den Rest. Er jaulte unglücklich.
Gib mir ein Zeichen, wenn du siehst, was ich dich sehen lassen will. Siehst du sie?
Anscheinend konnte sie nicht meine Gedanken lesen. Wie Bran konnte sie nur senden.
McKenzies Füße waren taub und die Steine am Flussboden taten weh. Sie sollte nicht im Dunkeln hier draußen im Fluss sein. Sie wusste, dass es gegen die Regeln war …
Ich wedelte schwach mit der Hand. Ich wollte nichts von einem Kind wissen, das in den Fluss gehen würde, um gefressen zu werden.
Ich werde sie am Leben lassen.
»Sie sagt, sie will das Mädchen am Leben lassen«, erklärte ich Adam.
Er verstand es, glaube ich, bevor ich es verstand, weil er
aufsprang und sie anknurrte – und dann auch mich, während er mich mit der Hüfte anstieß, um mir zu befehlen, zurück in den Wohnwagen zu gehen.
Ich fühlte ihr Lachen. Sie hatte Adams Reaktion gesehen. Sie wusste, dass ich sie gehört hatte.
Handel. Ein Handel. Ein Handel. Du für sie. Du kommst heute Nacht sterben und ich werde das kleine Mädchen und ihren kleinen Bruder leben lassen.
Adam stellte sich zwischen mir und dem Flussteufel auf.
»Sie bietet mir einen Handel an«, sagte ich. »Mich für das kleine Mädchen – und anscheinend auch ihren Bruder. Wenn ich sterbe, werden sie es nicht tun.«
Adam sah mich an und in seinem Blick konnte ich sein Herz sehen.
»Sie ist acht«, erklärte ich ihm. »Gerade so. Gestern hat ihr Stiefvater bewiesen, dass er vielleicht ganz in Ordnung ist. Sie ist bereit, ihm eine Chance zu geben. Sie hat einen jüngeren Bruder, den sie holen und mitnehmen könnte.« Ich schluckte. »Was würdest du tun, Adam? Würdest du sterben, damit dieses kleine Mädchen leben darf?«
Ich kannte die Antwort – und aus seiner Körpersprache konnte ich ablesen, dass er sie auch kannte. Erst sah er das Monster im Wasser an, dann wieder mich und seine Ohren bewegten sich. Er konnte es nicht tun, weil sie nicht ihn wollte. Ich konnte es auch nicht tun. Egal wie sehr ich es wollte. Ohne mich würde Kojotes Plan nicht funktionieren.
»Würde sie lügen?«, fragte ich, während Flussteufel ihre Versprechungen in meinen Kopf flüsterte. »Ich bin ihr mehr wert als das Kind, denke ich. Sie weiß von Kojote und
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