Silberband 038 - Verschollen in M 87
Leitschienen, in den Geschäften waren die Auslagen
allerdings noch immer leer. Nichts wies darauf hin, daß es außer den gefangenen Halutern
organische Lebewesen in dem gigantischen Gefängnis gab. Überall aber waren Roboter. Sie hatten
keine menschlichen Formen, sondern sie waren zweckmäßig und nüchtern konstruiert. Meist handelte
es sich um rechteckige oder ovale Metallblöcke auf Laufschienen oder Rädern. Alle waren
schwerbewaffnet. Wie es schien, hatte man sie in höchste Alarmbereitschaft versetzt.
Es war ein merkwürdiges Gefühl, sich frei und ungezwungen bewegen zu können, ohne bemerkt zu
werden. Gucky nutzte das auch weidlich aus, indem er die breite Ladenstraße überquerte und mitten
auf der elektronischen Leitschiene stehenblieb. Voller Entsetzen sah Ras Tschubai, wie einer der
Wagen auf ihn zuraste – und durch ihn hindurchfuhr. Gucky grinste und marschierte weiter.
Ras folgte ihm.
Und dann, von einer Sekunde zur anderen, brach die Hölle los.
Aus den verschiedenen Seitengängen stürzten die befreiten Haluter in den Hauptkorridor. Einige
von ihnen trugen Strahlwaffen, mit denen sie die Robotwächter angriffen. Es entspannen sich
fürchterliche Gefechte, in denen meist die Haluter den kürzeren zogen. Die Pulsator-Waffen
wirkten absolut tödlich auf ihr Doppelgehirn. Trotzdem gaben sie nicht auf. Immer neue Gruppen
erschienen und versuchten, die Roboter zu überwältigen.
Ras Tschubai sagte plötzlich:
»Hier haben doch eben noch Skelette gelegen. Wo sind die geblieben? Hast du wenigstens dafür
eine Erklärung, Gucky?«
Sie standen an der Kreuzung zweier Gänge, während um sie herum der Kampf tobte. Ein Kampf, der
sie nichts anging. Gucky bestätigte das.
»Eine Erklärung, warum die Skelette nicht mehr da sind? Die Erklärung ist sehr einfach, Ras:
Die Skelette gibt es noch nicht – es wird sie erst geben. Weißt du, was geschehen
ist? Wir sind in dieses seltsame Energiegitter hineingesprungen – und dann wurden wir in die
Vergangenheit geschleudert. Wir existieren nicht wirklich, nur in halbstofflicher Form. Wir
existieren praktisch in einem Zeitfeld. Eine andere Erklärung habe ich nicht, aber ich glaube,
sie stimmt. Was wir jetzt erleben, geschah vor sehr langer Zeit. Die Revolte der Haluter! Das
Ergebnis werden Skelette sein – Tausende und Millionen von Skeletten. Und wir können nichts
dagegen tun.«
Unwillkürlich versuchte Ras Tschubai, Guckys Arm zu packen – aber er griff durch ihn
hindurch.
»Natürlich können wir etwas tun, wenn wir auch nicht den Halutern helfen können. Wir könnten
die Energiezentrale finden, den Robotkommandanten, die Haupt-Schaltstation. Wenn wir wirklich in
der Vergangenheit sind, so steht sie jetzt an derselben Stelle wie in unserer Realzeit. Wenn wir
wieder in die Gegenwart zurückkehren, dann wissen wir wenigstens, wo wir zu suchen haben.«
Gucky nickte eifrig und sah zu, wie ein schwerbewaffneter Robotkommando eine Gruppe von
Halutern einschloß und vernichtete.
»Eine gute Idee, Ras. Aber ich glaube doch, wir sehen zuerst auf der Oberfläche nach. Kann
sein, daß wir auch dort eine Menge Antworten auf unsere Fragen finden. Es kann uns nichts
passieren. Nur können wir leider nicht teleportieren. Es gibt aber Lifts genug.«
Ohne sich um die kämpfenden Gruppen zu kümmern, marschierten sie mitten durch sie hindurch.
Zwar konnten sie sich gegenseitig sehen, aber es war offensichtlich, daß sie von den in der
Vergangenheit lebenden Robotern und Halutern nicht bemerkt wurden. Selbst die empfindlichen
Ortergeräte entdeckten sie nicht.
Sie erreichten den Lift, mit dem sie auch herabgekommen waren. Er war hell erleuchtet und in
Betrieb.
»Eigentlich merkwürdig, daß wir nicht durch das Metall hindurchfallen«, meinte Ras. »Wenn wir
schon in halbstofflicher Form existieren und uns niemand sehen kann, warum existieren wir dann
für das Metall?«
»Da fragst du mich zuviel, Ras. Es gibt keine Erklärung dafür. Die Roboter bestehen
schließlich auch aus Metall, aber für sie existieren wir genausowenig wie für die Haluter.
Vielleicht ist es so, daß die Roboter in der Gegenwart nicht mehr vorhanden sind; dieser Lift und
die Metallverkleidungen existieren aber auch in der Zukunft, die unsere Gegenwart ist. Das könnte
der Grund sein, warum wir nicht einfach in die Tiefe stürzen, durch alle Hindernisse
hindurch – bis zum Kern des Planeten. Aber das ist eine sehr vage Theorie und hält
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