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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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endlosen, qualvollen Minuten etwas nach. Sie fühlte sich auf einmal ganz leicht. Ihr Herzschlag stolperte und stoppte. Auður Stefánsdóttir war tot.

Gruselgeschichte

    Rúna fuhr nach einem hastigen Frühstück ins Stalldorf am Stadtrand. In langen Reihen standen unzählige Stallgebäude, alle in derselben barackenartigen Bauweise. Zur besseren Orientierung waren die Ställe in verschiedene, mit Buchstaben bezeichnete Trakte unterteilt. Zur grosszügigen Anlage gehörten eine riesige Reithalle, Ovalbahnen und beleuchtete Reitwege, die der Elliðaá, einem malerischen Flusslauf, entlangführten.

    Seit ihrem Umzug nach Reykjavík war sie Mitglied im Reitverein. Guðrún, eine Vereinskollegin, hatte ihr freundlicherweise eines ihrer Pferde zur Verfügung gestellt. Eine kleine braune Stute namens Hnota. Rúna liebte sie und freute sich schon auf den heutigen Ausritt.

    Sie parkte Snorris Fiesta, den er ihr immer wieder auslieh, und ging rasch zu dem Stallgebäude im A-Trakt, in dem Hnota untergebracht war. Die kleine Stute schnaubte freundlich zur Begrüssung und liess sich willig nach draussen führen. Zweimal mit der Bürste über die Sattellage gefahren, rasch den Mist aus den Hufen gekratzt und dann Sattel drauf und Trense ins Maul. Helm auf, Sattelgurt strammziehen und aufgesessen.

    „Los geht’s, kleine Maus!“ Rúna schnalzte aufmunternd und spannte den Oberkörper. Einmal mit der Gerte antippen und die kleine Stute ging in einen lockeren Tölt über. Ein frischer Wind schlug ihnen entgegen. Rúna spürte sich und war eins mit ihrem Pferd und der Natur. So früh morgens hatten sie freie Bahn auf den weichen Reitwegen. Sie übten erst eine Weile Tempounterschiede im Tölt und gaben zum Schluss richtig Gas. Rúna fühlte sich frei und leicht, legte jauchzend nochmals etwas Tempo zu, liess die Stute angaloppieren und ritt auf und davon.

    Nach dem zünftigen Ausritt hatte sie Lust auf einen Becher heissen Kaffee. Hnota durfte in den Paddock vorm Stallgebäude, wo sie sich ausgiebig wälzte. Rúna sah ihr lächelnd dabei zu, wie sie mit angezogenen Beinen Schwung holte, um sich von einer Seite zur anderen zu werfen.

    „Tschüss, kleine Maus!“ Sie ging durchs Stallgebäude, zu einer schmalen Tür ganz hinten, an der ein selbstgemaltes Schild zur Kaffeestube wies. Durch die geschlossene Tür waren mehrere Stimmen zu hören. Sie öffnete leise und trat ein.

    „Hey Rúna! Komm, setz dich, es gibt Kuchen!“ Die kesse Sóley winkte sie an den wackligen Campingtisch. Ausser Sóley sassen da auch noch Berglind mit den raspelkurzen braunen Haaren und ihr Freund Björn, der verschlafen in seinen Becher stierte. Rúna holte sich rasch einen Kaffee und liess sich dann neben Sóley auf einen hölzernen Hocker fallen. „Du bist heute zeitig dran.“ – „Jaa, ich hab mich gestern früh schlafen gelegt.“ – „Warst du denn nicht aus, gestern Abend? Musstest du arbeiten?“ – „Nein, ich hatte frei, aber ich war bloss kurz im Babalú .“ Rúna nahm sich ein Stück Schokoladenkuchen.

    „Seid ihr bereit für eine gruselige Story?“, warf Sóley erwartungsvoll in die Runde. „Gruselgeschichten? So früh schon?“, meinte Berglind zweifelnd.„Ja, stellt euch vor, was meinem Grossvater passiert ist. Er hat uns gestern angerufen und war total von der Rolle. Opa ist morgens zu einer etwas weiter entfernten Weide gefahren, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist. Eines der Jungpferde lag reglos am Boden. Als er hin ging, sah er, dass die Halsschlagader aufgerissen war, und es war alles voller Blut.“

    Berglind war blass geworden. „Oh, mein Gott! Hat das Pferd noch gelebt?“ - „Nein, natürlich nicht. Als Opa das Tier wegschleppte, stellte er fest, dass sein Genick gebrochen war. Er vermutet, dass ein wildgewordener Hund das Pferd gejagt hat. Als das Vieh sich in seine Kehle verbissen hat, muss es ganz unglücklich gestürzt sein und hat sich dabei den Hals gebrochen. Seltsam war bloss, dass der Hund nicht davon gefressen hat.“

    Rúna verzog angewidert das Gesicht. Wie schrecklich, sich vorzustellen, wie sehr das arme Tier gelitten hatte! „Wurden noch mehr Pferde attackiert?“ – „Nein, nur dieses Eine. Die übrigen waren ziemlich durch den Wind, aber unverletzt. Opa hat sie gleich nach Hause geholt. Und er hat die Zeitung verständigt. Die sind gestern Nachmittag angerückt und haben ihn interviewt und Fotos geschossen. Der Artikel erscheint am Montag.“ – „Puh! Das ist ja grässlich!

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