Skin Game 02 - Verhängnisvoller Verrat
erreichen sollen, wenn ich vor Serrano die Karten offen auf den Tisch gelegt hätte und mit Ihnen geflohen wäre. Es hat mich Überwindung gekostet, Sie dort zurückzulassen – begreifen Sie das denn nicht? Aber es war die beste Lösung.«
Statt etwas zu sagen, widmete sie sich grimmig ihren Champignons. Er hätte sie am liebsten geschüttelt, obwohl so eine hitzige Reaktion sonst nicht seine Art war. Jahrelang hatte ihm nichts und niemand mehr interessiert, außer er konnte die Person für seine Zwecke gebrauchen. Seit Lexie hatte ihm kein Mensch etwas bedeutet.
Es machte ihn wütend, dass Mia ihm etwas bedeutete.
»Sie haben mir ein Zitat versprochen«, sagte sie nach fünf Minuten des Schweigens.
»Das habe ich. Sind Sie deswegen gekommen? Um das Spiel weiterzuspielen?«
»Eigentlich weiß ich nicht, warum ich zugesagt habe«, antwortete sie leise.
Er ging über ihre Verwirrung hinweg, denn ihm war ganz ähnlich zumute. Wie er sich verhielt, seit er sie wiedergesehen hatte, konnte er nicht fassen. Die Vernunft war auf der Strecke geblieben. Er wusste nur, dass er mehr von ihr wollte. Sie strahlte Wärme aus, schillerte in vielen Farben, während sein Leben in Grautöne getaucht war. Er hatte nie bekommen können, was er wollte – und bei ihr würde es nicht anders sein –, doch solange sie es erlaubte, konnte er so tun als ob.
»War keine Laune je in mir, heiter, untröstlich, strahlend oder trüb, die nicht des Fiebers du enthoben und schöner mir zurückgegeben hast.«
»Sara Teasdale. Das Gedicht heißt ›Ich erinnerte‹.«
Das verblüffte ihn. Er hatte die Zeilen aus einer Gedichtsammlung im Internet herausgegriffen und recherchiert, dass die Autorin kaum bekannt war. »Sie haben ihre Gedichte gelesen?«
»Sie gehört zu meinen Lieblingsdichtern.« Mia stützte das Kinn in die Hand und schaute verträumt drein. »Ihr Werk ist dermaßen unterschätzt, dass ich mal überlegt habe, einen Master in englischer Literatur zu machen, um die Abschlussarbeit über sie zu schreiben.«
»Erzählen Sie mir von ihr.«
Das tat sie mit Begeisterung. »Sie wurde in St. Louis geboren und war ein kränkliches Kind. Ich glaube, deshalb erlebte sie alles intensiver, weil sie schon früh die eigene Sterblichkeit erkannte. Sie verliebte sich in den Dichter Vachel Lindsay, traute sich aber wohl nicht, sich auf die Launen einer anderen empfindsamen Seele einzulassen, und heiratete lieber einen Geschäftsmann. Sie zog die Sicherheit der Liebe vor.«
»Sie halten das für einen Fehler«, schlussfolgerte er ruhig.
»Für was denn sonst? Ihre Ehe scheiterte, und sie beging Selbstmord, zwei Jahre nach dem Freitod von Lindsay. Ich glaube, sie hat ihn bis zum letzten Augenblick geliebt.« Die mitfühlenden Worte verrieten, dass sie insgeheim eine Romantikerin war, egal welche wissenschaftlichen Erkenntnisse ihre These stützten.
Er ermunterte sie, ihm zu erzählen, worüber sie in ihrer Arbeit geschrieben hätte, und so erfuhr er während des Essens alles, was es über Sara Teasdale zu wissen gab. Während Mia ihren Salat aß, bewies sie mehr Leidenschaft, als er außerhalb des Schlafzimmers je bei einer Frau erlebt hatte. Er konnte nicht anders, er stellte sich vor, wie dieser Enthusiasmus bei einer weniger intellektuellen Beschäftigung aussehen würde.
Er wollte sie.
Seiner Meinung nach war es bittere Ironie, dass sie sich genauso wie ihre geschätzte Sara für ein Leben entschieden hatte, das materielle Sicherheit versprach. Denn als Consultant in der freien Wirtschaft Straftaten aufzuklären, brachte zweifellos mehre ein als ein Uni-Abschluss in Literaturwissenschaft. Fasziniert von ihrem analytischen Verstand hörte er zu, wie sie Sara Teasdale mit Elizabeth Barrett Browning verglich und darlegte, dass echte Liebe und Unterstützung wesentlich für das Glück im Leben einer Frau waren und jede Entscheidung neue Weggabelungen brachte.
Erst als er sie unterbrach, um zu fragen, ob sie ein Dessert wolle, wurde ihr bewusst, wie lange sie schon redete. Wieder errötete sie, als würde sie sich für ihre Begeisterung schämen. Am liebsten hätte er jeden umgebracht, der sie je wegen ihrer leidenschaftlichen Art aufgezogen hatte. Mia ahnte überhaupt nicht, wie außergewöhnlich sie war.
»Ja«, murmelte sie und senkte den Blick. »Ich nehme die Beerenpastete.«
»Tun Sie das nicht.«
»Was?«
»Bereuen, dass Sie mir von etwas erzählt haben, das Sie lieben.«
»Eigentlich wollte ich bei diesem Treffen etwas über
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