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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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Neugierig warf Sergej einen Blick darauf und las:
    BEKANNTMACHUNG
    An Wladimir Borisowitsch Iwanow
Kommandant, Newski-Kadettenanstalt
     
    In einer Woche wird eine Kompanie Soldaten in der Anstalt
Halt machen, bevor sie sich zum Judendienst auf den Weg
nach Süden begibt. Alle Senior- und Elitekadetten werden
an dieser Expedition teilnehmen, die ihnen reichlich Erfahrung
im Feld bringen wird. Auf dieser Expedition werden
sie an Judenpogromen teilnehmen. Bereiten Sie Ihre
Männer entsprechend vor. Erinnern Sie sie daran, dass sie
auf Befehl des Zaren, der Heiligen Mutter Kirche und
Mütterchen Russlands handeln.
     
    Unterzeichnet
Wasili Alexandrowitsch Artemow
Feldkommandeur
    Pogrom . Schon das Wort allein ließ Sergej erschaudern. Als Mitglied der Elite würde man von ihm erwarten, dass er unschuldige Menschen wie seinen Großvater und die Familie Abramowitsch quälte und tötete. Wieder stieg das Bild der rauchenden Trümmer vor seinem geistigen Auge auf.
    Er würde es nicht tun. Er konnte es einfach nicht, weder für seinen Onkel noch für den Zaren. Sergej war an einem Wendepunkt in seinem Leben angekommen. Plötzlich war sein Geist kristallklar. Die Zeit war gekommen, in der Nacht zu verschwinden - so wie Alexej der Kosak. Er würde nach Sankt Petersburg gehen, um den Schatz zu suchen, den sein Großvater ihm hinterlassen hatte. Von dort aus würde er nach Amerika fahren, wo man sicherlich keine Soldaten ausschickte, um Menschen einfach deswegen umzubringen, weil sie Juden waren.
    Als er seine Entscheidung überdachte, besann er sich auf die Konsequenzen. Man würde sicherlich eine Suche starten, deshalb musste er so schnell wie möglich so weit wie möglich weg. Und natürlich konnte er nie wieder zurückkommen. Dann dachte er an die Entscheidung seines Vaters, ihn auf die Anstalt zu schicken, und an die Bereitschaft seines Onkels, ihn hier aufzunehmen und ihm eine Heimat zu geben. Er würde sie alle im Stich lassen, aber er konnte dieses Leben einfach nicht länger leben. Schließlich war er nicht nur der Sohn seines Vaters, sondern auch der seiner Mutter. Jetzt war es ihr Blut, das sich zu Wort meldete.
    Sergej fühlte sich, als würde er noch einmal auf den Rücken des Hirsches springen. Er hatte keine Ahnung, was die Zukunft bringen würde, aber immerhin würde es eine Zukunft sein, für die er sich selbst entschieden hatte.
    Er musste weg. Noch heute Nacht. Aber nicht ohne einen Abschiedsbrief an seinen Onkel zu schreiben. Das war er ihm einfach schuldig. Sergej nahm sich ein Blatt Papier vom Schreibtisch, eine Feder in die Hand und begann zu schreiben:
    Lieber Kommandant Iwanow,
     
    ich bitte Sie um Verzeihung, dass ich auf diese Weise gehe, um ein neues Leben zu finden. Ich habe eine Karte, einen Kompass und einige Vorräte mitgenommen, die ich auf meiner Reise brauchen werde.
    Ich habe keine Ahnung, was aus mir geworden wäre, wenn Sie mich nicht als Kadetten aufgenommen hätten. Dank Ihrer Fürsorge bin ich stärker geworden und habe viel gelernt. Ich hoffe, Sie eines Tages stolz machen und das Vermächtnis meines Vaters ehren zu können. Ich wünschte, ich hätte Sie besser kennen lernen können. Obwohl Sie nach außen streng sind, habe ich immer gespürt, dass Sie ein gutes Herz haben.
    Ich werde mich stets an Sie erinnern und Sie in meine Gebete einschließen.
    Sergej unterschrieb, faltete den Brief zusammen und steckte ihn ein. Bevor er das Büro verließ, durchstöberte er den Schreibtisch und fand schließlich, was er gesucht hatte: eine Karte, die sich als nützlich erweisen könnte, und seine Papiere.
     
    In dieser Nacht ging Sergej angezogen zu Bett. In seinem Rucksack war alles, was er in der kurzen Zeit hatte besorgen können. Seine Papiere hatte er wohlweislich wasserdicht eingewickelt. Er hatte Trockennahrung eingepackt, die er aus der Küche gestohlen hatte, ein Messer und den kleinen, vielseitig verwendbaren Spaten, eine Angelschnur, die Karte und den Kompass.
    Während des Abendessens sah Sergej noch einmal Andrej und die anderen Kadetten an und verabschiedete sich im Stillen von ihnen. Bevor er ins Bett ging, sah er noch einmal aus dem Fenster auf das Anstaltsgelände hinaus. Vor ihm tauchte das Bild des jungen Sergej auf, der verzweifelt versuchte, sich an der Mähne seines ersten Pferdes festzuhalten.
    Nachdem das Licht gelöscht worden war, tat er so, als schliefe er, bis er um sich herum nur noch die vertrauten Geräusche schlafender Kadetten hörte. Dann legte er den

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