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Song of the Slums

Song of the Slums

Titel: Song of the Slums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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Geld. Das, womit man zu Geld kommt. Willenskraft, Tatendrang, eine kraftvolle Persönlichkeit. Ein hartes Gemüt. Das ist es, was Sie brauchen, Miss Wie-war-doch-gleich-der-Name. Unterlassen Sie es, zu mir zu kommen, um zu klagen und Meldung zu machen, weil Sie Ihre Schüler nicht unter Kontrolle haben. Lassen Sie das Jammern und Schluchzen, weil Sie nicht die Persönlichkeit haben, es selbst zu schaffen. Ach herrje, jetzt bekommt sie feuchte Augen!«
    Astor zwang sich, nicht zu blinzeln. Mit jeder Faser ihres Körpers hielt sie die Tränen zurück.
    »Hah! Und Sie wundern sich, warum Unternehmer an die Macht kommen! Es liegt daran, dass wir für uns selbst sorgen. Dass wir selbst die Initiative ergreifen. Dass wir andere nicht um Hilfe bitten. Wir stehen auf unseren eigenen zwei Beinen.«
    Rote Flecken zeigten sich an seinem Hals. Astor konzentrierte sich auf diese Flecken und sprach mit ruhiger, gleichmäßiger Stimme. »Ich danke Ihnen für die Erklärung. Ich werde also auf meinen eigenen zwei Beinen stehen.«
    »In diesem Hause müssen Sie sich selbst durchsetzen«, donnerte er weiter. »Nicht jedesmal, wenn es ein Problemchen gibt, nach Mama und Papa rufen. Wenn Sie nicht die Charakterstärke haben …«
    »Danke«, unterbrach ihn Astor. »Das sagten Sie bereits.«
    Sein Mund war noch geöffnet, bereit die nächste prahlerische Salve auszustoßen.
    Es macht ihm Spaß, dämmerte es Astor. Vermutlich schikanierte und drangsalierte er andere den ganzen Tag lang. Sie wischte ein paar Speicheltröpfen von ihrem Handgelenk, drehte sich auf dem Absatz um und eilte auf die Tür zu. Hinter sich konnte sie ihn schwer atmen hören, aggressiv wie ein Bulle, der gerade zum Angriff ansetzt. Sie hasste ihn wie nie zuvor jemanden in ihrem Leben.
    Als sie Bartizan Swales Büro verlassen hatte, musste sie die starrenden Blicke der zwei Büroangestellten im Großraumkontor über sich ergehen lassen, dann den gaffenden Empfangschef in der Halle. Sie war sich sicher, dass alle ihre Demütigung mitbekommen hatten. Aber die Intensität ihres Abscheus hielt sie aufrecht, und hocherhobenen Hauptes segelte sie an ihnen vorbei. Nicht eine einzige Träne war in ihren Augen zu erblicken.
    Sie hatte einen Wendepunkt erreicht. Irgendein Schalter in ihr war umgelegt worden, und von nun an würde nichts mehr so sein wie zuvor.

• 9 •
    Ich werde auf meinen eigenen zwei Beinen stehen
. Astor wiederholte diesen Satz wie ein Mantra. Nein, sie würde sich nicht von Bartizan oder einem anderen Swale unterkriegen lassen. Sie würde es ihnen zeigen! Auch wenn sie aus einer vornehmen Familie stammte, hatte sie doch genauso viel Charakterstärke wie irgendein kapitalistischer Emporkömmling.
    Den ganzen Abend lang versuchte sie, Pläne zu schmieden. Sie musste natürlich die Hauslehrerin mimen, zumindest eine Zeitlang. Und das hieß, sie musste sich überlegen, wie sie Blanquette, Prester und Widdy im Zaum halten konnte. Sie schlief tief und fest die Nacht durch, und als sie am nächsten Morgen erwachte, hatte sie ihren Schlachtplan klar im Kopf. Sie sprang aus dem Bett, voller Tatendrang, den Plan umzusetzen. Teil eins betraf ihre eigene Erscheinung. Sie ging zum Waschraum und wusch sich Gesicht, Hals und Hände. Glücklicherweise war sonst niemand dort. Das kalte Wasser ließ ihr Gesicht frisch und rosig aussehen.
    Zurück in ihrem Zimmer, packte sie ihre verknitterte Reisekleidung weg und besah sich die Kleidungsstücke in ihrem Schrank. Ein schwarzes Kleid, dass Miss Minnifer gehört haben musste, passte perfekt und stand ihr sogar sehr gut. Sie fand einen weißen Fransenschal, den sie um ihre Taille schlang und verknotete. Das ließ sie einerseits streng und andererseits elegant erscheinen und betonte den einzigen Farbtupfer: ihr volles kupferfarbenes Haar. Es ging ihr nicht darum, ihren Schülern zu imponieren, sondern sich selbst zu gefallen. Aber wen sie wirklich beeindruckte, war Verrol.
    Er war gekommen, um sie abzuholen.
    »Werden Sie heute …«, begann er. Dann bekam er große Augen und hatte den Rest des Satzes offenbar vergessen.
    »Ja«, sagte sie. »Ich werde diese Blagen heute unterrichten.«
    Es schien ihn Anstrengung zu kosten, den Blick von ihr ab- und sich dem Fenster zuzuwenden. Astor ärgerte sich zwar noch immer über ihn, aber seine großen Augen gefielen ihr nun doch.
    Sie kramte in ihrer Schmuckschatulle herum und entschied sich für ihre einfachsten Silberohrringe. »Schade, dass du mir hierbei nicht helfen kannst«,

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