Sophies Melodie (German Edition)
Wenningen! Fahr zur Hölle, du gottverdammte Hexe!“
Der nächste Morgen war grimmig kalt, und es schneite.
Constantin stand, einen dicken Wollpullover um die Schultern gelegt, auf dem Balkon vor seinem Schlafzimmer und rauchte. Kraftlos warf er den Rest seiner Zigarette in den alten Pflanzenkübel zu seinen Füßen und verschränkte fröstelnd die Arme vor der Brust. Sein Blick streifte die Wipfel der weiß gepuderten Kiefern, die ein Stück hinter Loch Kellan sein Grundstück begrenzten.
Er hatte viel erreicht in seinem Leben. Viel und doch gleichzeitigso bedauernswert wenig. Sein größter Wunsch, eine eigene Familie, war ihm bisher verwehrt geblieben, und er machte sich inzwischen auch keinerlei Hoffnung mehr darauf, dass er überhaupt irgendwann noch erfüllt werden könnte. Damals, als er voller Stolz sein erstes Haus in Hamburg kaufte, hörte er in seinen Träumen schon das Kinderlachen, das die Räume mit Leben erfüllen würde. Später dann begleiteten ihn seine Wunschvorstellungen auch hierher nach Schottland. Heute konnte er über seine romantischen Träumereien nur noch müde lächeln.
Eine Menge Geld, Ruhm und noch mehr Erfolge hatte er in den vergangenen Jahren für sich verbuchen können, und dennoch war er nicht wirklich glücklich geworden. Die wenigen Wochen in seinem Leben, in denen er beinahe unverfälscht glücklich gewesen war, waren nun auch für immer verloren, da machte er sich keinerlei Illusionen. Er kannte das Gefühl bereits. Ein neuer Verlust, eine neue Enttäuschung – und doch unvergleichlich schmerzhafter als jede andere Verletzung, die man ihm bisher zugefügt hatte.
Er war jetzt Mitte dreißig, aber er fühlte sich wie ein alter Mann, ohne Visionen und ohne eine erstrebenswerte Zukunft. Ein schiefes Lächeln glitt über sein Gesicht. Selbstmitleid war ihm zuwider, aber er schaffte es nicht immer, sich dieser demütigenden Verfassung zu entziehen. Unwillig schüttelte er schließlich den Kopf und warf einen prüfenden Blick auf seine Armbanduhr. Am Nachmittag würden Fabian und Helen eintreffen. Er hatte seinem Bruder bereits am Telefon gesagt, dass er ihm etwas Wichtiges mitzuteilen habe. Und er war sich sicher, dass Fabian bereits ahnte, was es war. Sein Bruder wusste genau, an welchem Punkt die Grenze für ihn, Constantin, erreicht war.
Seit vielen Wochen führte er nun schon das trostlose Leben eines einsamen Wolfes. Das freudlose Lachen, das er bei diesem Gedanken ausstieß, hallte düster in ihm nach. Ja, er fühlte sich derzeit tatsächlich wie ein Lebewesen, das einfach nicht zu denanderen seiner Art passen wollte. Weihnachten hatte er zwar im Hause seines Bruders verbracht, aber direkt nach den Feiertagen war er wieder zurück nach Kellan Manor geflogen.
Selbst die Personen, die ihm eigentlich am nächsten standen, schienen ihm nach und nach immer fremder zu werden. Obwohl er sich entsetzlich verlassen fühlte, verlangte es ihn dennoch nicht nach anderen Menschen. In manchen Nächten dachte er ernsthaft darüber nach, ob er sich am Rande einer ausgewachsenen Depression bewegte. Aber wenn er ehrlich zu sich selbst war, steckte er wahrscheinlich schon seit einiger Zeit mittendrin.
Seufzend wandte sich Constantin schließlich vom märchenhaften Anblick seines winterlichen Gartens ab und ging zurück ins Haus. Es wurde Zeit für ihn. Zeit, etwas zu essen, zu duschen – und es wurde Zeit, die Stunden totzuschlagen, bis seine Familie endlich eintraf und ihn für wenige Tage wieder aus seiner Isolation reißen würde. Ob es ihm nun gefiel oder nicht.
„Du siehst noch immer furchtbar aus“, stellte Helen am Abend lakonisch fest, als sie zusammen im Wohnzimmer saßen. „Du hast schon Weihnachten so schrecklich ausgesehen, Conny. So langsam mache ich mir wirklich Sorgen um deine Gesundheit.“
Fabian schenkte seiner Frau ein neues Glas Wein ein und stimmte ihr mit einem Nicken zu, sagte aber selber nichts.
Constantin presste seine Lippen aufeinander und strich sich gedankenverloren eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn. Er beschloss, dass es keinen Sinn hatte, die Sache noch weiter hinauszuschieben. „Ich werde die Tournee nicht machen, Fabian. Ich will … eigentlich überhaupt nicht mehr auftreten.“
Wieder nickte Fabian Afra. Er wusste aus Erfahrung, dass es wenig Erfolg versprechend war, zu versuchen, seinen Bruder von einer einmal gefassten Entscheidung abzubringen. „Das habe ich mir schon gedacht. Du weißt hoffentlich, was du tust?“
„Absolut. Ich
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