Spiel des Schicksals
Ansammlung von weißen Zelten erblickte.
»Wo sind die Gräber?« fragte ich und sah mich aufgeregt um. »Sie liegen noch weiter die Straße hinunter. Ein Zaun und ein Tor markieren den Eingang zur Gräberstätte. Man hat sie errichtet, um die Gräber zu schützen. Dr. Jelks’ Camp ist dort drüben, du kannst es sehen.«
»Ist er der einzige Archäologe hier?«
»Im Tal der Könige, ja. Es gibt noch ein französisches Team in der Nähe von Der el-Bahri, und einige Amerikaner arbeiten an der Restaurierung eines Grabes im Tal der Königinnen.« Ich rückte weiter vor und hielt mich an der Lehne des Vordersitzes fest. Als wir uns dem Camp in einer Staubwolke näherten, spähte ich aufgeregt nach allen Seiten, ob ich die vertraute Gestalt von Adele irgendwo entdeckte. Ich war von so weit hergekommen, von so weit her…
Ich sprang heraus, noch bevor die Räder des Taxis zum Stillstand gekommen waren, und Achmed Raschid kam mir sofort nach. Unser Motorengeräusch hatte die Aufmerksamkeit der Camp-Bewohner erregt, so daß wir von einem kleinen Begrüßungstrupp empfangen wurden. Es waren alles Männer. »Hallo!« rief der größte von ihnen. »Was können wir für Sie tun?«
»Ist Dr. Jelks hier?«
»Im Augenblick nicht. Ich bin sein Assistent, Dr. Wilbur Arnes. Kann ich Ihnen weiterhelfen?«
»Mein Name ist Achmed Raschid. Ich arbeite für die Behörde für Altertümer.« Der Gesichtsausdruck des Mannes blieb unverändert. »Wann erwarten Sie Dr. Jelks zurück?«
»In Kürze. Er wird bald Mittagspause machen. Seit Tagesanbruch arbeitet er im Grabtempel von Sethos. Kommen Sie doch auf einen Tee herein, ja?«
Dr. Arnes machte kehrt, und wir folgten ihm und den anderen ins Lager. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich rechnete jeden Moment damit, Adeles Stimme »Lyddie! Lyddie!« zu hören. Aber kein Ruf ertönte, als wir zwischen Landrovern und Zelten hindurch in das größte geführt wurden, das als Speisezelt diente. Klapptische und Bänke nahmen die eine Seite ein, während sich auf der anderen eine ausgeklügelte Kocheinrichtung befand. Unsere Gastgeber setzten sich auf die eine Seite des Tisches, wir nahmen ihnen gegenüber Platz. Ein junges Mädchen, nicht älter als sechzehn, mit dünnem, blondem Haar, schickte sich an, uns Tee einzuschenken. »Meine Tochter«, stellte Dr. Arnes sie mit einem neugierigen Blick auf mich vor. »Rosalie möchte Ägyptologin werden wie ihr verrückter alter Papa. Nun sagen Sie mir doch, Mr. Raschid, welchem Umstand verdanken wir diesen überraschenden Besuch?«
»Ich warte damit lieber, bis Dr. Jelks zurückkommt. Aber Sie können mir vielleicht sagen, ob Miss Harris hier ist.«
»Adele?«
Er kannte sie also! Mein Herz fing an, wild zu schlagen. »Es ist komisch, daß Sie mich das fragen. Wir haben uns selbst schon überlegt, wohin sie gegangen sein könnte. Seit gestern abend ist sie nicht mehr im Camp gewesen.«
»O nein!« stöhnte ich und faßte nach Achmeds Hand. »Das kann doch wohl nicht wahr sein!«
Dr. Arnes sah mich verblüfft an, worauf Achmed ihn aufklärte: »Dies ist Adeles Schwester Lydia, und sie ist den ganzen Weg von Los Angeles hierher gekommen, um sie wiederzusehen.«
»Schön, Sie kennenzulernen! Ja, irgendwie kamen Sie mir gleich bekannt vor. Sie sehen Ihrer Schwester wirklich sehr ähnlich. Adele ist jetzt schon seit ein paar Wochen bei uns, ein ganz reizendes Mädchen und eine wunderbare Gefährtin für Rosalie.«
»Aber wenn sie nicht hier ist, wo ist sie dann?«
»Wir wissen es nicht. Bis gestern abend war sie noch bei uns und nahm dann einen der Landrover, um nach Luxor zu fahren. Das sagte sie wenigstens. Sie ist noch nicht zurückgekommen.«
»Haben Sie nicht nach ihr gesucht?« Ich fühlte mich ganz elend. »Nein. Adele ist oft nach Luxor gefahren, um die Nacht in einem Hotel zu verbringen. Sie findet unsere Unterkünfte zu primitiv, und hin und wieder verlangt es sie nach einem Bad und einem richtigen Bett, wie sie sich ausdrückt.«
»Wann kommt sie gewöhnlich zurück?« erkundigte sich Achmed, während er mit beiden Händen meine Hand hielt. »Das ist das Merkwürdige daran. Normalerweise bei Sonnenaufgang, so daß sie Dr. Jelks bei der Arbeit helfen kann. Tüchtige kleine Assistentin, Ihre Schwester.«
»Nun, jetzt ist es schon fast elf!« rief ich aus.
»Ja, aber sie könnte auch noch einkaufen gegangen sein.« Ich drehte mich zu Achmed um. »Etwas Schreckliches ist passiert. Das habe ich im Gefühl!«
»Sagen Sie mal, worum geht
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