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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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Bodybuilders, ragte hoch vor mir auf und war auch durchaus üppig behangen. Blaue Augen funkelten mich aus dem glatten Gesicht eines geborenen Kämpfers an: keine scharfen Kanten und vorragenden Knochen, die unter den ersten Schlägen gebrochen wären. Nur noch ein wenig Rüstung, und er hätte mit Leichtigkeit die Loyalität jeder Barbarenhorde errungen.
    »Na, was meinst du?«, fragte er, die Stimme nun tief und gebieterisch klingend.
    Ich beäugte ihn. »Beeindruckend. Aber etwas übertrieben.«
    Er beugte sich ein wenig zu mir vor, und in seinen blauen Augen lag nun ein Versprechen, von dem ich mir sicher war, dass er es erfüllen konnte. Ich gab mir große Mühe, nicht an das Schlafzimmer zu denken.
    »Übertrieben?«
    »Ja. Die Bedrohlichkeit gefällt mir. Das ist sehr maskulin. Aber er sieht so aus, als würde er alles flachlegen, was bei drei nicht auf den Bäumen ist, und als würde er mich als ›Dirne‹ oder ›Metze‹ bezeichnen.«
    Der Barbarenkönig, der vor mir stand, rieb sich den Nasenrücken. »Und was genau lässt dich zu diesem Schluss gelangen?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube, es hat irgendwas mit seinen Augen zu tun.«
    »Dann hältst du also nichts davon?«
    »Ich fürcht e … «
    »Ich muss noch an ihm feilen.«
    Der Barbarenkönig schrumpfte ein wenig in sich zusammen, seine spektakuläre Muskulatur ging in ein schlankeres Format über. Das Haar verschwand, ließ den Schädel kahl zurück, das Gesicht wurde länger, mit klug blickenden, dunklen Augen und einer großen Nase. Der Mann, den ich unter dem Namen Saiman kannte, ging an die Bar und ließ sich an der Spüle ein Glas Leitungswasser ein.
    »Geschäftliches?«, fragte er mit Blick auf den M-Scan.
    »Ja.«
    Er nickte, trank das Glas aus und ließ sich ein frisches ein.
    »Ich spüre kein Fünkchen Magie«, sagte ich. »Und dennoch scheinst du überhaupt keine Mühe zu haben, dich zu verwandeln. Wie machst du das?«
    Er sah mich an und hob eine Augenbraue – eine Geste, die meiner eigenen so ähnlich war, dass ich hätte schwören können, er hätte sie sich bei mir abgeguckt. Und das war durchaus denkbar. Saiman ahmte oft die Eigenarten seiner Kunden nach. Er tat das ganz bewusst, da er sie damit aus der Ruhe bringen konnte.
    »Das entscheidende Wörtchen dabei ist ›scheinst‹. So eine Verwandlung erfordert jetzt große Konzentration, wohingegen sie während einer Magieflut fast wie von selbst geschieht. Aber um den Kern deiner Frage zu beantworten: Ich glaube, mein Körper kann die Magie speichern. Wie eine Batterie. Vielleicht erzeugt er sie sogar selbst.«
    Er trank sein zweites Glas aus und kam zur Couch. »Musstest du lange auf mich warten?«
    »Nein, nicht allzu lange.«
    Einen Moment lang glaubte ich, er würde gleich eine Bemerkung über den Blick machen, der sich einem von hier oben bot, und dann hätte ich es mir nicht verkneifen können, ihn zu bitten, den Blick, den er selbst bot, mit ein paar Kleidern zu kaschieren. Doch dann begab er sich von ganz allein ins Schlafzimmer.
    Saiman war von dem Verlangen getrieben, sich in einen Übermann zu verwandeln, einen Supermann, dem keine Frau widerstehen konnte. Der sexuelle Aspekt dabei interessierte ihn viel weniger als das wissenschaftliche Streben, ein perfektes menschliches Wesen zu erschaffen. Was er damit eigentlich bezwecken wollte, wusste ich nicht, und ich hatte auch keine Ahnung, was er, wenn es ihm je gelingen sollte, als Übermann anstellen wollte. Er ging an diese Herausforderung ebenso methodisch heran wie an die meisten Dinge, die er unternahm, und sammelte Feedback bei einem großen Kreis von Personen, von denen die meisten nicht die geringste Ahnung hatten, wie er in Wirklichkeit aussah.
    Früher hatte ich die Meinung vertreten, so einen Übermann könne es gar nicht geben. Selbst wenn es ihm gelingen sollte, das Abbild eines perfekten Mannes zu erschaffen, würde es seine Erwartungen nicht erfüllen. Viel zu viel hing doch von den Interaktionen zwischen zwei Menschen ab, und letztlich waren es diese Interaktionen, die zu Intimitäten führten. Er hatte mir in diesem Punkt mit großer Leidenschaft widersprochen, und ich hatte gelernt, darüber nicht mehr mit ihm zu debattieren.
    Wir hatten uns ein Jahr zuvor bei einem Söldnerjob kennengelernt. Ich hatte als Leibwächterin für ihn gearbeitet. Alle Söldner machten so etwas früher oder später mal, und es war mein Glück, dass ich dabei an Saiman geriet. Er war damals ans Bett gefesselt gewesen, wegen

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