Stadt, Land, Kuss
von Talyton ausgepresst wie die Zitronen … ungeheuerlich … er war doch erst ein Welpe …«
Ich drücke meinen leinenen Einkaufsbeutel an die Brust – Talyton St. George ist plastiktütenfreie Zone – und gehe hastig zurück zur Praxis. Ich sehe zu dem Gerüst an der Fassade hoch, auf dem zwei von DJs Leuten stehen (als er von seiner Mannschaft sprach, bin ich davon ausgegangen, dass er mindestens elf Arbeiter meinte, aber hier handelt es sich wohl eher um so etwas wie eine Fechtmannschaft: maximal drei Leute, DJ eingeschlossen, von denen immer nur einer tatsächlich arbeitet). Einer von ihnen pfeift in meine Richtung, und der andere hebt grüßend seine Tasse mit dem Logo der »Woche der Tierzahngesundheit«.
Ich winke nicht zurück. Ich bin nicht einmal in der Stimmung für einen kleinen unbedeutenden Flirt. Das Otter House steht kurz vor der Pleite. Niemand vertraut mir sein Haustier an. Die ganze Stadt ist gegen mich. Izzy sagt, die Hundebesitzer schimpfen beim gemeinsamen Gassigehen über uns. Und der alte Fox-Gifford schwadroniert in seiner Kolumne in den Vet News vollkommen hypothetisch über Sorgfaltspflichtverletzungen.
Was soll ich tun? Welchen Unterschied machen da noch ein paar Welpenspielstunden?
Mit einem Seufzen öffne ich die Tür und betrete den Empfangsbereich, wo Izzy gerade telefoniert. Sie sieht auf und hält mit einer Hand die Sprechmuschel zu.
»Das ist Edie«, sagt sie. »Clive gräbt das Loch.«
Mit einem Schlag bin ich noch deprimierter. Das kann nur eines bedeuten. »Sagen Sie ihr, wir kommen sofort zu ihnen.«
»Und was ist mit dem Telefon?«, erwidert Izzy scharf. »Ich kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.«
»Dann müssen wir die Anrufe eben auf mein Handy umleiten«, entgegne ich und hole mein Stethoskop und die Arzttasche. »Gehen wir.«
»Haben Sie auch nachgesehen, ob Sie genug Betäubungsmittel haben?«, fragt Izzy. »Emma prüft immer, ob sie von allem genug hat, ehe sie losfährt, dann braucht sie später nicht überstürzt zurückzukommen. Es gehört sich nicht, einen Patienten halb tot liegen zu lassen.«
Innerlich seufzend öffne ich die Tasche. Ich hatte recht. Izzy vertraut mir nicht. Sie toleriert mich, weil ich Emmas Freundin bin. Alles läuft auf eine zunehmend gespannte Arbeitsatmosphäre hinaus, die ich sicher nicht ewig aushalten könnte.
Etwas überrascht, dass Edie und Clive nicht im Talyton Manor angerufen haben, fahre ich mit Izzy zum Talymill Inn. Selbst wenn sie noch nicht wissen, was mit Cadbury passiert ist, müssen sie von Blueboy gehört haben, und das bedeutet, dass sie mir noch immer zutrauen, das Beste für Robbie zu tun. Es ist nicht fair, dass ich von den Tierhaltern in Talyton St. George geächtet werde. Ich habe Erfahrung, bin engagiert, und bei mir kommen die Tiere immer an erster Stelle. Ich bin eine gute Tierärztin, und ich werde allen beweisen, dass ich es nicht verdiene, so behandelt zu werden.
Als ich am Fluss entlangfahre, sehe ich kurz zu Izzy hinüber. Ihr Blick ist starr nach vorn gerichtet. In letzter Zeit habe ich häufiger ein leises Lächeln auf ihren Lippen bemerkt. Außerdem benutzt sie seit Neuestem Mascara – kein Furcht einflößendes Schwarz, sondern einen sanften Hauch von Blau.
»Wie läuft es mit Chris?«, frage ich freundlich.
»Was meinen Sie?«
»Sie und er? Sind Sie …? Oh, bestimmt. Sie fahren doch nicht so oft zu ihm auf den Hof, um Freddie zu besuchen, oder?«
»Er ist sehr nett«, antwortet sie.
»Nett?«
Sie legt eine Hand an ihren Hals und wird rot. »Mehr als nett …«
Ich fahre weiter. Die Sonne steht hoch am Himmel, es ist ein perfekter Sommertag. Glückliche Izzy, denke ich.
»Ach ja, ich habe ganz vergessen, Ihnen zu sagen, dass Alex Fox-Gifford vorbeigekommen ist und um ein paar Akten gebeten hat«, sagt Izzy. »Ich hielt es nicht für nötig, das vorher noch mit Ihnen abzusprechen.«
»Das heißt, äh …«, meine Kehle ist mit einem Mal wie ausgedörrt, »er hat gar nicht nach mir gefragt?«
»Nein. Er hat sich nur nach Frances erkundigt«, erklärt Izzy nüchtern, und ich frage mich, ob er mir aus dem Weg geht.
»Haben Sie etwas von ihr gehört?«, frage ich.
»Ich habe sie neulich zufällig im Genossenschaftsladen getroffen. Sie sucht eine neue Stelle, aber hier in der Gegend sind die Jobs dünn gesät.« Izzy hält inne. »Sie sagt, sie vermisst uns.«
»Aber sie hat doch so viele Freundinnen beim Frauenverein und in der Kirchengemeinde«, sage ich hoffnungsvoll,
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