Stadt, Land, Kuss
von Clive, als er noch viel jünger und schlanker war. Robbie steht neben ihm, und beide werden gerade für ihre Tapferkeit ausgezeichnet.
Edie folgt meinem Blick.
»Ich werde den alten Hund vermissen«, sagt sie mit erstickter Stimme, »aber … es klingt so furchtbar, wenn ich das sage, aber ich bin erleichtert, dass jetzt alles vorbei ist und wir nicht länger mit ansehen müssen, wie er leidet. Aber Clive … Er und Robbie waren die besten Freunde. Ich weiß nicht, wie er das verkraften soll.« Sie starrt auf den Rest ihres Drinks (Wodka mit einem Schuss Orangensaft, vermute ich) und lässt ihn im Glas kreisen. »Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich hatte Robbie sehr gern, doch für mich war er immer ein Hund, kein Mensch.«
»Man kann nie wissen, wie sehr einen der Verlust eines Haustieres trifft«, sage ich.
»Clive wird nie wieder einen Hund haben wollen«, fährt Edie fort. »In solchen Dingen ist er konsequent.«
»Vielleicht ändert er seine Meinung ja irgendwann.« Ich ärgere mich selbst über diese Plattitüden. Warum sollte er seine Meinung ändern? Ich habe meine doch auch nicht geändert. Ich will nie wieder eine andere Katze haben. Genau wie Robbie war King einmalig.
Auf dem Weg zurück zum Otter House hat Izzy die Weinflaschen auf dem Schoß, die Edie uns zum Dank aufgedrängt hat.
»Ich hoffe, Clive kommt über den Verlust hinweg«, sage ich.
»Natürlich kommt er darüber hinweg. Es bleibt ihm ja nichts anderes übrig – schließlich hat er einen Pub, um den er sich kümmern muss …«
»Meine Güte, was wären Sie für eine Trauerbegleiterin! «
»Eine mit Realitätssinn.« Izzy schaltet das Radio ein.
Als ich das Lied erkenne, verkrampfen sich meine Finger um das Lenkrad – es sind The Killers.
15
Die Zuflucht
In den darauffolgenden Tagen mache ich mir Sorgen um Clive. Obwohl ich ihn noch nicht lange kenne, habe ich das Gefühl, dass er für mich inzwischen eher ein Freund geworden ist als ein Kunde. Ich versuche mich auf die Arbeit zu konzentrieren: eine magersüchtige Schildkröte, ein Wellensittich mit Überbiss und ein Spaniel mit Herzgeräuschen, der auf Querfeldeinläufen nicht mehr mit seinem Besitzer mithalten kann. Das lenkt mich ab, aber es reicht nicht aus, um die Praxis zahlungsfähig zu halten.
Ich bin gerade mit der Kastration einer Katze fertig, als Izzy in den Raum platzt. Ihre Miene verrät mir, dass es noch mehr schlechte Neuigkeiten gibt.
»Maz, Nigel hat gerade angerufen. Ich soll Sie warnen, dass der Gerichtsvollzieher morgen kommt, um einen Teil der Ausstattung mitzunehmen.« Izzys Stimme versagt. »Das Röntgengerät und das Praxisauto …«
»Das können sie doch nicht machen. Emma ist nicht da. Sie müssen doch sicher erst mit ihr reden.«
»Ich frage mich, ob es nicht genau das war, was sie wollte: nicht da zu sein, wenn alles den Bach runtergeht«, sagt Izzy ruhig. »Anfangs war sie eine großartige Chefin, sehr engagiert und voller Begeisterung für ihren Beruf, aber im vergangenen Jahr schien das immer mehr nachzulassen. Ich weiß nicht, wieso. Sie wirkte abwesend und schien nicht mehr alles im Griff zu haben, allerdings dachte ich immer, sie schafft das schon. Ach, Maz, ich bin so enttäuscht.«
»Ich glaube nicht, dass sie damit gerechnet hat, dass es zur Katastrophe kommt, während sie weg ist.« Sie ist meine beste Freundin, sie hätte mich nicht einfach hängenlassen – wenigstens nicht mit Absicht. »Die Lage war von Anfang an nicht rosig, aber ich habe alles nur noch schlimmer gemacht.«
»Warum hat sie Ben nicht um Hilfe gebeten?«, fragt Izzy. »Er ist doch Arzt. Er hat bestimmt genug Geld.«
»Dafür ist sie zu stolz. Es gibt nichts, was sie nicht schaffen würde. Zumindest war das bis jetzt immer so.« Am liebsten würde ich selbst alles bezahlen, aber Emma ist nicht nur mit ein paar Hundert Pfund in den Miesen. Ihre Schulden gehen in die Tausende, und ich fürchte, nicht einmal Ben hätte ihr da noch helfen können. Es ist Zeit für eine Entscheidung. Ich weiß, dass ich eigentlich bleiben wollte, um den Tierhaltern von Talyton St. George zu beweisen, dass ich eine gute Tierärztin bin und sie sich in mir getäuscht haben, doch das ist jetzt leider nicht mehr möglich. Ohne den Wagen können wir weiterarbeiten, aber nicht ohne das Röntgengerät.
»Heute Abend wird die Praxis geschlossen«, erkläre ich.
»Sie wollen das Otter House schließen?« Izzy starrt mich an, Verzweiflung spiegelt sich in ihrer Miene. »Was ist
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