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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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»Kann ich dich zum Frühstück einladen?«
    »Sicher. Klar, Mann.« Wilfred sah noch einmal zu Dingo hinüber. Der Fuchs trollte sich.
    »Weißt du ein gutes Lokal?« fragte Michael.
    »Klar.«
    Das Lokal erwies sich als winzige griechische Imbißbude nur zwei Blocks von der Fuchshöhle. Wilfred bestellte für sie beide. Er bestand auf der Spezialität des Hauses: gebratene Eier und Würste mit gesottenen Tomaten. Während sie aßen, ging wieder ein Platzregen nieder und polierte die kleine gußeiserne Statue eines blinden Kindes draußen am Eingang.
    Michael besah sich die Statue durch das regenverwaschene Fenster. »So eine hab ich noch nie gesehen«, sagte er. »Steckt man da Geld durch einen Schlitz im Kopf?«
    Wilfred nickte. »Es gibt auch welche für Hunde und Katzen.«
    Michael sah ihn mit einem mitfühlenden Lächeln an. »Aber nicht für Füchse.«
    »Nein.«
    »Hast du mal einen richtigen Dingo gesehen?«
    »Nee. Mein Großvater hat mir von ihnen erzählt.«
    »War er … Australier?«
    »Abo«, erwiderte Wilfred. »Kannst es ruhig sagen, Mann.«
    »Was?« fragte Michael, der mit dem Ausdruck nichts anfangen konnte.
    »Aborigines. Hast du doch sicher schon gehört.«
    »Ach so.«
    »Die, auf denen die Nigger rumhacken dürfen«, ergänzte der Junge mit einem verschmitzten Grinsen.
    Michael fühlte sich sofort unbehaglich. »Davon weiß ich nichts.«
    »Na, ich aber.« Der Junge säbelte ein Stück Wurst ab und schob es sich in den Mund. »Meine Oma war Holländerin. Sie und mein Großvater sind im zweiten Weltkrieg aus Darwin weg … als ihr Yankees überall zugange wart und alle dachten, die Japse kommen. Mein Dad ist in London geboren.«
    »Und deine Mutter?«
    »Ist abgehauen, als ich acht war.«
    »Warum?«
    »Was weiß ich«, meinte der Junge schulterzuckend. »Weil sie meinen Alten und seinen dämlichen Portwein satt hatte. Oder weil sie mich nicht mochte.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Du magst mich ja auch nicht.« Er schaute auf seinen Teller, während er es sagte.
    »Das ist nicht wahr.«
    »Du willst nicht mit mir ins Bett.«
    »Wilfred …«
    »Dann sag mir doch, warum. Dann frag ich auch nicht mehr.«
    Michael zögerte. »Ich glaube, es ergibt keinen rechten Sinn. Nicht mal für mich selber.«
    »Versuch’s halt.«
    »Na ja … mein Liebhaber und ich haben uns nicht getrennt. Er ist an Aids gestorben.«
    Der Junge sah ihn verständnislos an.
    »Weißt du, was das ist?«
    Wilfred schüttelte den Kopf.
    »Es ist etwas, was schwule Männer in den Staaten kriegen. Es ist eine schwere Immunschwäche. Und wenn sie es haben, dann infizieren sie sich mit allem, was durchs Fenster reinkommt. Mehr als tausend sind schon daran gestorben.« Es kam ihm seltsam kaltblütig vor, die Geschichte so verkürzt zu erzählen und das Grauen auf die reinen Tatsachen zu reduzieren.
    »Oh, ja«, sagte Wilfred nüchtern. »Ich glaub, ich hab mal davon gelesen.«
    »Mein Lover hat noch vierzig Kilo gewogen, als er starb. Er war ein großer, schlaksiger Typ, und er wurde einfach … weggerafft. Ich war vor sechs Jahren selber mal krank … gelähmt … und er hat mich immer getragen, und …« Er spürte, wie die Tränen in seinen Augen brannten. »Und dann wurde er zu so einem Gespenst, zu einem bejammernswerten Wesen …«
    »He, Mann …«
    »Die letzten zwei Wochen seines Lebens war er blind. Und mußte die meiste Zeit durch eine Sauerstoffmaske atmen. Als ich das letzte Mal bei ihm war, konnte er mich nicht mehr sehen. Daß mir die Tränen runterliefen, konnte er nur spüren, weil er seine Hand an meiner Backe hatte. Ich saß da, drückte seine Hand an mein Gesicht und erzählte ihm einen blöden Witz, den ich in der Zeitung gelesen hatte … und machte Pläne für einen Trip nach Maui.« Er riß eine Papierserviette aus dem Spender und tupfte sich die Augen ab. »Entschuldige.«
    »Macht doch nichts, Mann.«
    »Weißt du, es ist einfach so …«
    Wilfred sprach es für ihn aus. »Er fehlt dir.«
    »Ja, sehr … ach, furchtbar …« Er konnte nicht mehr an sich halten und begann zu schluchzen. Wilfred kam auf seine Seite, setzte sich neben ihn und drückte ihm die Schulter.
    »Darum halte ich mich im Moment aus allem raus. Mir ist einfach nicht danach, mit jemand so zusammen zu sein.« Er fing sich wieder und wischte sich noch einmal die Tränen ab. »Nicht, daß ich Angst vor Sex habe oder so. Ich hab mich nur die ganze Zeit nicht mehr geil gefühlt.«
    »Natürlich«, sagte Wilfred mitfühlend. »Aber sehnt

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