Steinhauer, Franziska
gegen Unterdrückung zu wehren und Ausbeutern – Nocturnus nannte sie Vampire – keine Chance für ihr schändliches Treiben zu geben. Besonders eindringlich war seine Mahnung, Respekt gegenüber anderen walten zu lassen und ebenso für sich selbst einzufordern.
Die Freunde spürten plötzlich, dass es in ihrem Leben vor allem daran mangelte. Man begegnete ihnen nicht mit der nötigen Achtung!
Kevin Baumeister behielt seine beiden Begleiter währenddessen unentwegt im Auge. Zufrieden registrierte er, dass Mario und Julian bereits die magische Formel mitsprachen, die nach jedem neuen Abschnitt der Predigt gesprochen wurde. Er wusste, dass das seltsame Wort in ihrem Denken einen Widerhall fand, der die Freunde überraschte. Wie bei einem Konzert, wenn die unterschiedlichsten Menschensich versammelten und dann gemeinsam mit ihrer Lieblingsgruppe längst vergessene Texte sangen und dabei Kerzen schwenkten.
Nocturnus’ Stimme wurde eindringlicher.
„Respekt! Was soll daran verwerflich sein? Wenn du für jemanden etwas tust, weil es deine freie Entscheidung ist und du es gerne tust, dann fordere für deine Bereitschaft Respekt. Bekommst du ihn nicht, so kümmere dich nicht mehr um den anderen. Begegne anderen stets mit dem gleichen Respekt, den du von ihnen entgegengebracht haben möchtest. Bringen sie dir keinen entgegen, verlasse sie, wirf sie aus deinem Haus, im schlimmsten Fall – vernichte sie! Wir sind stark – wir setzen unsere Wünsche mit Satans Unterstützung um. Wer uns nicht respektiert, ist es nicht wert, auch nur ein Stück Weges mit uns zu gehen! Respekt bedeutet: Lasst euch nicht ausnutzen! Seid nicht den Wünschen anderer untertan! Wer etwas von euch möchte, frage respektvoll nach, ob ihr es zu tun bereit seid – niemals kann er es einfordern! Eure Freiheit ist ein wertvolles Gut – lasst sie euch nicht durch die Forderung der anderen auf Rücksichtnahme beschneiden! Darauf haben sie keinen Anspruch! Macht euch bewusst, dass sie dieses Wort nur einsetzen, um euch zu unterdrücken und gefügig zu machen!“
Baumeister bemerkte zufrieden den Ausdruck in den Augen seiner Zöglinge. Lächelnd registrierte er, wie die Freunde an Nocturnus’ Lippen hingen und versuchten, die Formeln im Chor mitzusprechen. Die beiden waren ein guter Griff, lobte er sich, sie hatten Potenzial.
Julian konnte sich gar nicht sattsehen an den dunklen Gestalten, die in der Finsternis nur undeutlich wahrzunehmenwaren. Ihm schien alles ein grandioses Schauspiel – und er war einer der Hauptakteure. Sein Puls raste. Hier war er genau richtig – hier verstand man seine Probleme. Aber das Beste war, man kannte auch gleich die Lösung. Von nun an würde sich in seinem Leben einiges ändern.
Auch Mario erfuhr, dass sein Zorn berechtigt war. Es gab keinen Grund, sich dafür zu schämen, dass er sich innerlich gegen den Missbrauch durch seine Eltern auflehnte, gegen die Gewalt, die er bisher hingenommen hatte. Weder Dankbarkeit noch Respekt hatten sie ihm dafür gezeigt!
Die Freunde stießen sich im Bewusstsein stummer, vollständiger Übereinstimmung an wie zur Bekräftigung eines heiligen Schwurs. Sie hatten ihre seelische Heimat gefunden!
„Wir erneuern unseren Bund mit dir, Satan! Sieh auf deine Kinder herab und nimm gnädig ihr Versprechen an!“
Die Anhänger formten mit Zeigefinger und kleinem Finger der linken Hand das Symbol des Gehörnten und reckten den Arm hoch in die Luft.
Die Fackeln verlöschten und tauchten alles in undurchdringliche Schwärze.
Doch die Dunkelheit währte nur einen Augenblick. Neue Fackeln erleuchteten nun einen provisorischen Altar.
Nocturnus winkte, und auf sein Zeichen hin brachten zwei Helfer eine Kiste heran, die ungefähr die Größe zweier Schuhkartons hatte. Aus ihrem Inneren waren seltsame Klopfgeräusche zu hören. Vorsichtig stellten die beiden dunklen Gestalten sie vor Nocturnus ab. Ein anderer trat hinzu und zeichnete mit weißer Kreide ein Pentagramm auf eine der Seitenwände. Auf ein Zeichen des Priesters hinbegannen die Anhänger, Gebote aus der Satanischen Bibel zu zitieren.
Es erinnerte an Gregorianische Gesänge.
Erwartungsvolle Stille breitete sich aus.
Julian hatte nicht gesehen, wer das Pentagramm auf den Erdboden gezeichnet hatte, doch es musste mit einer fluoreszierenden Chemikalie erfolgt sein. Der gelbliche Schimmer war unheimlich.
„Macht euch bereit! Nun kommt das Wichtigste, ihr erhaltet die erste Weihe“, flüsterte Kevin Baumeister.
Eigentlich waren
Weitere Kostenlose Bücher