Steirerherz
WG-Bewohnern wissen.
»Das haben wir uns auch schon gefragt«,
erklärte Bella. »Sie ist gestern mit uns hergefahren. Aber heute Morgen ist sie
nicht zum Frühstück erschienen und war auch nicht mehr in ihrem Zimmer. Wir mussten
dann los, um rechtzeitig zur Beerdigung zu kommen. Aber am besten fragen Sie ihre
Eltern. Dort drüben stehen die beiden – neben Pias Schwester.« Bella deutete zu
einem Ehepaar nebst Teenager. Das Mädchen ähnelte seiner älteren Schwester stark,
wenngleich es die langen, haselnussbraunen Haare zu einem strengen Pferdeschwanz
zurückgebunden hatte und eine Zahnspange trug.
»Sie haben ein gemeinsames Quartier
bezogen?«, vergewisserte sich Sandra.
»Wir wohnen alle bei Pias Eltern
am Weingut in Sankt Stefan ob Stainz. Die Pia in ihrem alten Zimmer im Privathaus.
Volker und ich sind in zwei Gästezimmern in der angrenzenden Pension untergekommen.
Die betreibt Pias Mutter. Wir wollten einfach nicht so zeitig losfahren. Drum sind
wir gestern Nachmittag schon angereist und haben gleich die Wellnesseinrichtungen
dort genutzt. Kostet uns ja alles nix. Übrigens haben auch Egon Hausner und sein
Vater gestern Abend in der Pension eingecheckt. Die Pia war stinksauer, dass ihre
Mutter die beiden bei sich einquartiert hat. Als ob man sich als Zimmervermieterin
die Gäste aussuchen könne, hat die Frau Fürnpass gemeint. Sie sei froh, dass sie
in der eher bescheidenen Sommersaison überhaupt zahlende Gäste beherbergte«, plauderte
Pia bereitwillig aus dem Nähkästchen.
Schon wieder kam dieser ›Ferrari-Hausner‹
ins Spiel, fiel Sandra auf. Warum war er nicht erst an diesem Morgen angereist?
Von Graz hierher dauerte die Autofahrt höchstens eine gute halbe Stunde, nachdem
die Baustellen auf der Strecke seit dem Monatsanfang endlich beseitigt waren. Dass
sich Engelbert Hausner überhaupt bei Valentinas Begräbnis blicken ließ, war typisch
für ihn. Aus Rücksichtnahme auf die Familie Trimmel hätte er auch durch Abwesenheit
glänzen können. Aber nein, er musste natürlich dabei sein! Wahrscheinlich war er
es sogar gewesen, der dem jungen Paparazzo einen gezielten Hinweis gegeben hatte,
damit er sich nachher wieder selbst in einem dieser Revolverblätter bewundern konnte.
Einzig und allein die Tatsache, dass seine Speichelprobe noch nicht ausgewertet
war, zwang Sandra dazu, die Vorverurteilung seiner Person bis auf Weiteres hintanzustellen,
was ihr alles andere als leichtfiel.
»Pia hat also mit ihrer Mutter gestritten?«
»Ja. Nach dem Abendessen ist der
Streit eskaliert. Volker und ich haben uns auf unsere Zimmer verdrückt.«
»Wann war das?«
»Kurz vor 23 Uhr.«
»Das war das letzte Mal, dass Sie
beide Ihre Freundin gesehen haben?«
»Ja.«
Auch Volker Neidhardt nickte. Er
sah an diesem Tag richtig krank aus, fand Sandra. »Alles in Ordnung mit Ihnen, Herr
Neidhardt?«, erkundigte sie sich.
Wieder nickte der junge Mann. »Ja,
ja. Geht schon. Ich mag Begräbnisse nur nicht besonders«, antwortete er.
»Da geht es Ihnen genau wie mir«,
entkam es Sandra. Auch ihr gingen seelische Belastungen wesentlich mehr ans Herz
als körperliche, obwohl in ihrer Brust wenigstens noch das eigene schlug.
»Könnte Pia wegen dieses Streits
mit ihrer Mutter abgehauen sein?«
Bella zuckte mit den Schultern.
»Schon möglich. Zu uns hat sie aber nichts gesagt. Und ein Auto hatte sie ja auch
nicht. Wir drei haben uns gemeinsam einen Wagen für das Begräbnis gemietet. Und
ich hab den Schlüssel und die Papiere bei mir.« Bella schwang demonstrativ den Leihwagenschlüssel
vor Sandras Nase.
»Könnten Sie noch ein bisschen hier
warten, bis wir uns mit den Eltern von Frau Fürnpass unterhalten haben? Danach würden
wir Ihnen gerne noch ein paar Fragen stellen«, meinte sie zu den beiden jungen Leuten.
»Wie wär’s, wenn Sie mit zum Leichenschmaus
kommen?«, schlug Bella vor. »Da können wir uns in Ruhe unterhalten. Mir ist schon
ganz schlecht vom langen Stehen. Und einen Mordshunger hab ich auch.« Dass Bella
ihre letzte Formulierung unter den gegebenen Umständen nicht unbedingt geschickt
gewählt hatte, fiel offenbar niemandem außer Sandra auf. Einmal mehr musste sie
an Bergmann denken, der sich an dieser Stelle ein Grinsen nicht verkneifen hätte
können.
Miriam ließ sich von Bella die Adresse
des Gasthofs ›Zur Sonne‹ geben, während Sandra bei Franz Trimmel senior nachfragte,
ob er etwas dagegen hätte, wenn sie die Trauergemeinde zum Leichenschmaus begleiteten,
um dort mit einigen
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