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Sterbelaeuten

Sterbelaeuten

Titel: Sterbelaeuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Endemann
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gewesen.“
    „Dafür ist es nie zu spät. Du weißt doch: Im Himmel herrscht mehr Jubel über den einen Sünder als über 99 Gerechte.“
    „Über einen Sünder, der Buße tut“, entgegnete Torat.
    „Die Rolle des Moralapostels steht dir nicht, Johannes.“
    „Wenn du was von mir willst, warum rufst du mich nicht an? Warum tauchst du hier auf und mischst dich in mein Leben ein?“
    „Was sind das für hässliche Worte, Johannes? Wir zwei waren doch ein gutes Team.“
    „Wir waren kein Team.“ Die Worte kamen sehr leise, und nur weil Torat so eine tragende Stimme hatte, waren sie auch auf der Empore noch zu hören. „Was willst du von mir?“
    Die Kirchentür öffnete sich und die Männer fuhren herum. Es war Thomas. „Herr Torat, ich wollte die Kirche abschließen.“
    Torat machte eine abwehrende Handbewegung. „Lassen Sie, ich mache das. Wir brauchen noch einen Moment.“
    Thomas zögerte einen Moment, als wollte er noch etwas sagen. Mit Blick auf den fremden Mann verließ er dann aber wortlos die Kirche. Die Jungen wechselten erschrockene Blicke.
    „Übrigens habe ich meinen Mädchennamen wieder angenommen. Ich heiße Clausen und du tust gut daran, dir das ganz schnell einzuprägen.“ Der Fremde wies mit dem Kopf zu der Tür, aus der Thomas gerade hinausgegangen war und die noch ein paar Mal hin und her schwang.
    „Vielleicht sollte ich lieber die Polizei anrufen.“ Wieder Torats leise, tragende Stimme.
    „Oh, ich glaube nicht, dass du das solltest.“
    „Was sollte mich davon abhalten?“
    „Ja, was?“ Der Mann fing an, auf dem Mittelgang auf und ab zu gehen, die Hand am Kinn. „Lass mich mal nachdenken. Vielleicht zum Beispiel die Tatsache, dass ich eine sehr hübsche Schmuckschatulle in meinem Besitz habe, auf der deine Fingerabdrücke sind. Der Schmuck, der dort einmal drin war, ist allerdings spurlos verschwunden.“
    „Du ...!“ Torat verbiss sich den Rest. „Jakob, ich dachte, wir sind Freunde!“
    „Jetzt hast du es kapiert“, sagte der fremde Mann. „Genau das sind wir.“ Er klopfte Torat auf die Schulter, ließ seine Hand einen Augenblick auf Torats Arm liegen, bevor er aus der Kirche schlenderte, ohne sich noch mal umzusehen.
    Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis Torat sich einen sichtbaren Ruck gab und ebenfalls die Kirche verließ. Die Jungen hörten, wie die Tür zufiel und der Schlüssel sich im Schloss drehte.
    Wie auf ein Kommando rasten sie die Empore entlang, die Treppen hinunter und an den Bänken entlang zum Seiteneingang. Er war noch offen. Als sie über den Hof zum Pfarrhaus rannten, bog Torat um die Ecke. Offenbar war ihm eingefallen, dass er ja auch die Seitentür abschließen sollte. Er sah den Jungen stirnrunzelnd nach.
    Markus rutschte auf einer vereisten Stelle aus und fiel in den Schneematsch, der sich auf dem mit Salz bestreuten Weg gebildet hatte. Die Hose war nass, aber das war jetzt egal. Sie waren entkommen. Markus, Lukas und Samuel rannten ins Zimmer der Zwillinge und warfen sich auf Betten und Boden. Sie keuchten. Ihr Puls raste.
    Samuel fand als Erster wieder Worte: „Boah ey!“
    Markus nickte und sagte: „Ich sah uns da jetzt festsitzen.“
    „Was war das für ein Typ?“, fragte Lukas.
    „Keiner aus der Gemeinde.“ Markus stand auf und zog die nasse Hose aus. Er hängte sie über die Heizung und zog eine neue an.
    „Nee“, stimmte Samuel zu, „ich habe den noch nie gesehen.“
    „Ein unheimlicher Typ“, meinte Lukas und schauderte.
    „Caruso scheint der Arsch mächtig auf Grundeis zu gehen“, stellte Markus nicht ohne Befriedigung fest.
    „Was hat das wohl mit den Fingerabdrücken zu bedeuten?“, rätselte Samuel.
    „Anscheinend hat Torat irgendwas angestellt. Er ist ein Verbrecher!“, rief Lukas, erschrocken über seine eigene Analyse, aus.
    „Meinst du vielleicht, er ist ein Mörder?“, fragte Samuel. Allen kroch eine Gänsehaut über Arme und Nacken.
    „Müssten wir das nicht jemandem sagen?“, fragte Lukas zaghaft.
    „Wem denn?“, erwiderte Samuel düster. „Meinem Vater vielleicht? Was sollen wir sagen, was wir in der Kirche zu suchen hatten? Ihr wisst genau, dass wir strenges Verbot haben, allein in die Kirche zu gehen, seit der Sache mit den Handtüchern.“
    Die Zwillinge sahen sich betreten an. Das war wirklich ein rekordmäßiger Ärger gewesen, den sie bekommen hatten, als sie zur Konfirmation die Kirchenvorsteherbank mit zwölf Handtüchern ausgelegt hatten, auf denen mit Stoffmalfarben „Reserviert für

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