Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
packen, nur das Nötigste.«
»Werden Sie ihr sagen, wo sie herkommt, wer ihre richtige Mutter ist?«
Mafalda stutzte. Darüber hatte sie noch nicht nachgedacht. Sie hatte nur einfach Rafaela holen wollen. Rafaela, die sie jetzt so dringend brauchte.
»Wir werden sehen.« Mafalda erhob sich, strich ihr Kleid glatt. »Wenn Sie sie jetzt bitte für mich rufen würden?«
Anita machte keine Anstalten. Stattdessen fragte sie: »Wird sie mich besuchen dürfen?«
»Aber ja, wenn sie das möchte. Jederzeit. Ich weiß, dass Sie ihr wie eine Mutter waren.«
Anita nickte. »O ja, das war ich wirklich.« Wieder schaute sie traurig in ihren Schoß. Dann fiel ihr noch etwas ein. »Das Geld, Doña. Ihr hattet für zwanzig Jahre bezahlt. Beinahe die Hälfte ist noch übrig.«
Mafalda winkte ab. »Behalten Sie es. Als Dank dafür, dass Sie aus ihr ein so wunderschönes, fröhliches Mädchen gemacht haben.«
Anita nickte stolz. »Sie kann alles: kochen, nähen, sticken, backen, waschen, was immer Sie wollen. Ich habe ihr alles beigebracht, was ich von meiner Mutter gelernt habe.«
Ihre Worte waren von so tiefdunkler Traurigkeit durchtränkt, dass es Mafalda kalt den Rücken herunterlief. Sie wusste, dass das, was sie jetzt tat, im Grunde grausam war. Aber sie kannte keine andere Lösung. Anita tat ihr leid, doch das durfte sie in ihrer Lage jetzt nicht kümmern.
»Bitte rufen Sie sie.«
»Darf ich ihr sagen, dass Sie gekommen sind, um sie in Ihre Dienste zu nehmen? Ich möchte nicht, dass sie die Wahrheit so unvermittelt erfährt.«
Mafalda breitete die Arme aus. »Sagen Sie ihr, was immer Sie möchten. Aber rufen Sie sie jetzt bitte.«
Zwölftes Kapitel
I n der Bar eines exklusiven Hotels saßen an diesem Abend drei Männer, drei weiße Männer. Einer von ihnen war dick, mit stämmigen Beinen, einem roten Gesicht und einem dröhnenden Lachen. Der andere war im mittleren Alter, seine Miene war ein wenig hochmütig, und er war der Einzige, der sich nicht beständig den Schweiß von der Stirn wischte, sondern im Gegenteil kühl und ein wenig unbeteiligt wirkte.
Der dritte Mann, der Jüngste der Runde, war groß, schlaksig sogar. Sein Gesicht war weiß, doch das Haar war so dunkel wie das der Einheimischen. Er trug es glatt nach hinten gekämmt und hatte es mit Haaröl gebändigt. Sein Schnurrbart war gut getrimmt, am auffallendsten aber waren seine Hände. Lang, schmal, weiß, feingliedrig und doch kräftig mit elegant manikürten Nägel, die selbst im Halbdunkel der Bar noch glänzten. Er trug einen Anzug, der perfekt passte und von hervorstechend guter Qualität war. Auch sein Hemd schmiegte sich an den muskulösen Oberkörper, als wäre es ihm direkt auf die Haut genäht worden.
Jeder der Männer hatte ein Whiskeyglas vor sich stehen, das jedoch noch unberührt war. Die beiden Männer im mittleren Alter schienen darauf zu warten, dass der Jüngere endlich das Glas erhob, doch der ließ sich Zeit damit. Seine Blicke schweiften durch die Bar, in der zu dieser Stunde nur Männer saßen, verweilten bei den gepolsterten Sesseln, den kleinen Marmortischen und landeten schließlich bei der Bar selbst, die ganz aus Holz war und von jahrelanger Benutzung glänzte.
Mit dem Kinn wies er auf eine Runde von offensichtlichen Geschäftsmännern, die laut lachten und nun zwei der schwarzen Mädchen, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatten, zu sich winkten. Einer von ihnen packte ein Mädchen fest um die Hüften und zog es auf seinen Schoß. Das Mädchen kreischte und ließ sich dann lachend fallen, kitzelte den Mann am Kinn und kreischte wieder über dessen komische Miene. Die andere stand mit hängenden Armen neben dem Tisch und blickte die Männer mit dem Ausdruck leiser Verachtung an. Einer von ihnen griff nach ihr, doch sie entzog sich mit einer leichten Drehung. Der Mann wieherte, versprühte dabei einen Nebel von Speichel. »Jetzt komm her, du Katze, zier dich nicht länger.« Aber das Mädchen blieb stehen, lächelte ein wenig und warf ihr langes Haar nach hinten, so dass die großen goldfarbigen Ringe in ihren Ohren leise klingelten. Der Barmann hörte auf, die Flaschen zu sortieren, und beobachtete das Mädchen mit zusammengekniffener Miene. Dann warf er den Lappen, den er in der Hand hielt, wütend auf den Tresen, klappte einen hölzernen Laden auf und winkte das Mädchen zu sich.
»Aufgepasst, jetzt wird es spannend.« Der Jüngere wies mit einer Kopfbewegung auf den Barmann und das Mädchen. Die beiden Älteren
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