Sternenfaust - 060 - Fluchtgedanken
selbst wenn sich das als überflüssig erwiesen hätte. Aber nein! In ihrer bodenlosen Arroganz hat die Regierung beschlossen, dass Serotis viel zu unbedeutend ist, um von den Fremden heimgesucht zu werden. Genau wie ihr! Jetzt waren sie hier, aber statt dankbar zu sein, dass wenigstens ihr noch lebt, macht ihr mir Vorwürfe! Ich hätte euch nicht hierher bringen müssen. Ich hätte mich und meine Frau hier in Sicherheit bringen und euch eurem Schicksal überlassen können. Aber ihr seid meine Verwandten und Freunde. Ich konnte nicht alle Bewohner von Serotis retten, aber wenigstens euch.«
Seine Stimme brach beinahe. Er wandte sich von den anderen ab, ging zu Runai und nahm sie in die Arme. Sollten die anderen doch denken und tun, was sie wollten. Er hatte sich nichts vorzuwerfen. Er zuckte zusammen, als er eine Hand auf seiner Schulter fühlte.
»Es tut mir leid, Akunin«, sagte Murel Hanor leise. »Du hast recht, mein Freund, und wir alle sollten dir dankbar sein. Aber … es ist so furchtbar …«
»Ja, das ist es«, stimmte Akunin ihm zu.
»Was ist, wenn wir hier unten gar nicht in Sicherheit und gerettet sind«, warf sein Cousin Rinon zaghaft ein. »Was ist, wenn wir jetzt hier unten lebendig begraben sind, weil oben alles zerstört ist? Ich glaube kaum, dass die Eingänge diese Zerstörungswut unbeschadet überstanden haben. Wenn wir Pech haben, sterben wir unten nur einen langsamen Tod, wenn unsere Vorräte aufgebraucht sind.«
»Das ist unwahrscheinlich«, sagte Akunin. »Zumindest wird es sehr lange dauern. Wir haben genug Vorräte, wenn wir die der gesamten Siedlung nutzen können, um mehrere Jahre durchzuhalten. Ich habe mich genau erkundigt. Dieser Komplex ist für insgesamt 5000 J’ebeem konzipiert. In jedem Wohnkomplex lagern Vorräte für vier Personen für mindestens einen Monat. Das reicht für uns alle für ungefähr vier Jahre. Wenn wir rationieren, sogar länger.«
»Ich sehe keinen Unterschied darin, ob wir in ein paar Wochen oder in vier Jahren verhungern«, meinte Rinon niedergeschlagen.
»So weit wird es nicht kommen«, war Akunin überzeugt. »Wir haben hier unten einen leistungsfähigen Sender für Notfälle. Ich glaube kaum, dass der beschädigt ist. Die Aggregate und auch der Sender befinden sich alle in den untersten Ebenen der Siedlung. Sobald wir sicher sein können, dass die Angreifer abgezogen sind, nehmen wir ihn in Betrieb und senden einen Notruf, in dem wir unsere Lage beschreiben. Es mag vielleicht ein paar Wochen dauern, bis Hilfe eintrifft, aber Ebeem wird mit Sicherheit Rettungseinheiten schicken, die uns abholen. Und bis die eintreffen, reichen unsere Vorräte hier allemal.«
Akunin konnte sehen, dass seine Gefährten wieder Hoffnung schöpften.
»Wir sollten uns ansehen, bis zu welcher Ebene die Schäden an der Oberfläche reichen«, sagte Murel Hanor. »Wahrscheinlich sind etliche Etagen durch die Kraft der Bomben verschüttet. Und da wir nichts besseres hier zu tun haben, bis Rettung kommt, können wir schon mal damit beginnen, uns von unserer Seite aus freizugraben.«
Der Vorschlag wurde von allen akzeptiert, auch wenn er wahrscheinlich nicht besonders praktikabel war. Falls ein Teil der oberen Stockwerke tatsächlich eingestürzt war, so hatten die hier Eingeschlossenen weder passendes Werkzeug, um sich freizugraben, noch die Möglichkeit, den dabei anfallenden Schutt zu beseitigen. Aber es war etwas, das sie tun konnten – und das war passivem Herumsitzen und Warten entschieden vorzuziehen.
Akunin, Murel Hanor und Rinon Boriak machten sich auf den Weg, nachdem Akunin die Zugangskarten aus ihrem Versteck geholt und an alle verteilt hatte. Die Minensiedlung bestand aus siebzehn Stockwerken. Die Aufzüge funktionierten nicht mehr. Ihr Mechanismus war nahe der Oberfläche blockiert oder zerstört, was sich auf die gesamte Funktion auswirkte. Also stiegen sie über die Notschächte nach oben.
Sie kamen bis zum fünften Stockwerk. Die vier Etagen darüber waren eingestürzt, und auch das fünfte zeigte Risse in den Wänden und Decken.
»Ich bin kein Bergbauingenieur«, sagte Rinon schließlich, »aber ich sehe keine Möglichkeit für uns, hier einen Weg freizuräumen. Sobald wir von unten – also von hier aus – anfangen zu graben oder etwas wegzuräumen, besteht die Gefahr, dass alles, was sich darüber befindet, auch noch einstürzt. Wenn jemand uns ausbuddelt, dann kann das nur von oben geschehen.«
»Die Wände und Decken in diesem Stockwerk scheinen mir
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