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Stumme Zeugen

Titel: Stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ich kann die Raten für die Kredite nicht mehr bezahlen und sehe nicht, wie sich daran etwas ändern sollte. Ich bin pleite, Jim. Gestern musste ich Herbert Cooper kündigen.«
    Hearne blickte ihn ungeduldig an, aber Jess hatte das Gefühl, dass seine Miene nachsichtiger wurde, während er sprach.
    »Mit den Kälbern läuft es so gut wie eh und je«, sagte er. »Die Alfalfa wächst großartig bei der Feuchtigkeit. Mehrere Leute haben angerufen, weil sie ihre Tiere auf meinen Weiden grasen lassen wollen. Doch selbst mit diesen zusätzlichen Einnahmen …«
    Für ein paar Augenblicke herrschte Schweigen.
    »Wohin man auch blickt, alle Welt isst Rindfleisch«, sagte Hearne schließlich. »Fast jeder, den ich kenne, befolgt eine Diät mit wenig Kohlenhydraten und viel Fleisch. Man sollte meinen, die Preise müssten steigen. Schließlich geht es bei der kanadischen Geschichte mit dem Rinderwahnsinn um andere Dinge.«

    Jess war seiner Meinung. Dieses Gespräch führten sie nicht zum ersten Mal. Die Riesenfirmen aus der fleischverarbeitenden Industrie kontrollierten die Preise, und Jess hatte diese Preise schon Jahre im Voraus akzeptieren müssen - vor der Zunahme des Fleischkonsums und der Explosion der Kosten.
    »Niemand hat mich damals mit der Waffe in der Hand zur Unterschrift gezwungen«, sagte er. »Ich bin nicht hier, um zu lamentieren.«
    »Ich weiß.«
    »Und auch nicht, um dir zu erzählen, dass bald alles besser wird. Wahrscheinlich wird es nicht so kommen. Aber ich weiß, dass ich einen guten Betrieb führe, und ich verschwende weder dein Geld noch meines.«
    Weiter konnte Jess eigentlich nicht gehen, um Hearne um Hilfe zu bitten, und er fühlte sich unbehaglich. Vermutlich wäre er gar nicht so weit gegangen, wenn ihm die erzwungene Kündigung Herbert Coopers nicht noch immer im Magen gelegen hätte. Er sah, dass auch Hearne sich unbehaglich fühlte.
    »Kein Mensch hat das je behauptet«, sagte Hearne. »Ich bestimmt nicht.«
    Jess nickte.
    »Leider sieht es so aus, als wäre die Zeit von Betrieben mit reiner Viehwirtschaft in North Idaho abgelaufen.«
    »Ich weiß.«
    »Du hast viel Landbesitz und wenig flüssiges Geld. Ich nehme an, du hast die Entwicklung der Grundstückpreise während der letzten paar Jahre verfolgt.«
    »Ja.«

    »Wenn man das Land vernünftig erschließt, ist dein Besitz Millionen wert«, sagte Hearne bekümmert, denn wie Jess war auch er mit bestimmten Entwicklungen keineswegs einverstanden. »Es gibt Möglichkeiten, den Schuldenberg loszuwerden.«
    Jess seufzte. Er saß kerzengerade da, hatte aber das Gefühl, die Schultern hängen zu lassen. »Ich bin kein Experte für Landerschließung.«
    »Musst du auch nicht sein. Wahrscheinlich gibt es im Moment ein halbes Dutzend Fachleute, die gern mit dir zusammenarbeiten würden. Tatsächlich haben mich einige deshalb angerufen.«
    Es schmerzte Jess, dass andere von seinen Schwierigkeiten wussten, doch wenn man in der Klemme saß, geriet man in ihr Visier. »Auch an mich sind Leute herangetreten, telefonisch und brieflich. Früher habe ich die Kuverts weggeworfen, ohne sie zu öffnen. Aber die Makler sind cleverer geworden und schicken ihre Angebote in Umschlägen ohne Absenderangabe. Gestern war sogar Karen mit ihrem neuen Mann bei mir.«
    »Das Stichwort lautet Diversifizierung«, sagte Hearne. »Sieh dir die Browns an.« Ihnen gehörte der andere landwirtschaftliche Familienbetrieb in der Gegend. »Der jüngere Sohn züchtet Rinder und hat ein Unternehmen für die Verpackung des Fleisches, der ältere handelt mit Baustoffen. Die Tochter führt eine Ranch für Urlauber.«
    Jess schnaubte. »Solche Pläne hatte ich auch mal. Du weißt, was passiert ist.«
    Hearne lehnte sich seufzend zurück. In der Tat, er wusste es.

    Eine Zeit lang schwiegen beide.
    »Niemand von den Alteingesessenen möchte, dass du die Ranch verlierst«, sagte Hearne dann. »Ich mit Sicherheit nicht. Wenn wir demnächst nur noch diese Minibetriebe mit fünf Morgen Land haben, die wir schon jetzt überall sehen, wird sich der Charakter dieses County grundlegend ändern. Aber ich darf nicht zulassen, dass meine Gefühle auf das Bankgeschäft Einfluss nehmen. Die Zuzügler haben dieses Gebäude hochgezogen und unterrichten meine Kinder auf dem College.«
    Jess fragte sich, warum Hearne ihm das mitteilen musste.
    »Könntest du nicht vielleicht doch darüber nachdenken, einen Teil deines Landes zu verkaufen, Jess? Vielleicht die Hälfte? Damit würdest du Zeit gewinnen, dir

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