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Stumme Zeugen

Titel: Stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
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angehalten, wären wir jetzt nicht hier.« Wie schrecklich er sich fühlen würde, wenn seine Kinder verschwunden wären …
    Singer zuckte die Achseln. »Es lässt sich nicht mehr ändern. Jetzt können wir uns nur noch der Lage stellen. Das ganze Lamentieren über unser Pech bringt nichts. Man kann nicht ständig zu ergründen versuchen, warum was passiert. Hätte dieses Arschloch an der Straßenecke damals nicht die Videokamera dabeigehabt, dann hätte kein Mensch je von Rodney King gehört, und es hätte keine Krawalle und Morde gegeben. Aber so darf man nicht denken.«
    »Genau«, stimmte Gonzales zu.
    »Ich wünschte nur, es wären keine Kinder«, sagte Newkirk.
    »O mein Gott.« Gonzales rollte die Augen.
    »Wäre uns allen lieber«, sagte Singer leise. »Das gefällt keinem von uns.«
    Du hast das Gesicht des Mädchens gesehen, hätte Newkirk am liebsten gesagt. Ein schönes Gesicht, mit großen Augen, die immer größer wurden, als die Sekunden verstrichen.
Sie hat etwas gesehen, das kein Kind, kein kleines Mädchen, je sehen dürfte. Sie ist für immer gezeichnet. Wir haben sie vergiftet, wie ihren kleinen Bruder. Ihr Leben zerstört.
    »Wie viele Kids hast du gerettet?«, fragte Singer plötzlich.
    »Was?«
    »Als Cop, auf der Straße. All diese Anrufe wegen häuslicher Gewalt, du hast Hunderte solcher Fälle gehabt. Hast du je mitgezählt, wie viel Kids du gerettet hast, als du ihre Väter oder ihre Freunde eingelocht hast, diesen Abschaum? Oder ihre drogensüchtigen Mütter, damit die Sozialfürsorge sich um sie kümmern konnte. Wie viele Fälle, was glaubst du?«
    Newkirk dachte zurück, verlor aber den Überblick. »Hunderte.«
    »Genau, Hunderte«, wiederholte Singer aggressiv. Dann legte er den Kopf etwas zur Seite, weiterhin Newkirk fixierend. »Keine Sorge, ich will nicht andeuten, dass diese beiden Kinder nicht zählen, weil du so viele andere gerettet hast. Aber wenn sie wieder auftauchen und reden, sind wir geliefert. So einfach ist das. Wir beide, genau wie Gonzo und Swann, haben Tausende von Bürgern beschützt und gerettet. Die gleichen Leute, die uns anspucken und Krawalle anzetteln. Sie benehmen sich wie die Tiere, ohne jeden Grund. Nur wir haben die Lage so gesehen, wie sie war. Die Politiker und die Medien sind diesen Viechern in den Arsch gekrochen, haben gesagt, was sie hören wollten, über ihre Probleme geschwätzt. Nur wir, die Polizei, konnten den Deckel unten halten, unter dem es ständig brodelte. Und wir haben uns gut geschlagen, Newkirk. Wir sind durch
diese Scheiße gewatet und haben Menschen das Leben gerettet, damit sie später am helllichten Tage einem Lastwagenfahrer den Schädel einschlagen und sich gegenseitig dafür beglückwünschen konnten. Und so konnten die Medien behaupten, die Krawalle seien nicht von den Krawallmachern ausgelöst worden, sondern durch ihre Lebensumstände, an denen wir schuld seien. Als hätten diese Menschen keine andere Wahl gehabt, als müssten sie sich wie Tiere benehmen. Als wären sie nicht verantwortlich für ihre Taten. Das war unser Dank, mein Freund. Letztlich wurden wir als die Kriminellen dargestellt.«
    Newkirk schwieg.
    »Und was war unsere Belohnung?«, fuhr Singer fort. »Die Jungs vom FBI haben unsere Dienststelle unter die Lupe genommen, als wären wir das Problem.« Er senkte die Stimme. »Nein, was wir jetzt besitzen, haben wir uns verdient, und wir dürfen nicht zulassen, dass es uns jemand nimmt. Selbst auf Kinder können wir dabei keine Rücksicht nehmen.«
    »Das war doch alles längst besprochen«, sagte Gonzales.
    Newkirk nickte matt.
    Urplötzlich legte Gonzales Newkirk eine Hand aufs Knie und drückte mit erstaunlicher Kraft zu. Seine schwarzen Augen funkelten. »Bau bloß keine Scheiße«, flüsterte er drohend. »Ich will dir sagen, worum es für mich hier geht. Mein Großvater ist jeden Tag über die Grenze nach Texas gekommen, um mit der Hand Bohnen zu ernten. Er konnte seine eigene Sprache nicht lesen und sprach kein Wort Englisch. Für ihn gab es nichts als harte Arbeit, und er hat sich nie beschwert, weil er seinen Kindern und Enkeln helfen wollte. An der Grenze musste er sich jeden Tag nackt ausziehen,
und sie haben ihn mit DDT eingesprüht, damit er nicht seine mexikanischen Läuse ins Land brachte. Einige Male hat er meinen Vater mitgenommen, damit er sah, was mein Großvater auf sich nahm, um seine Familie zu unterstützen, doch mein Vater sah nur die Demütigung eines guten Mannes. Er hat das nie vergessen,

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