Süße Worte, heißes Flüstern
feinem Holzstaub bedeckt, aber er gab ihr das Gefühl, es zu sein.
“Und?”, fragte sie, “sind Sie es denn?”
“Was?”
“Impulsiv.”
“Nein”, antwortete Seth.
Wie schade, dachte Hannah und war ein bisschen enttäuscht.
“Ich weiß eigentlich immer ziemlich genau, was ich tue und was ich will. Wie steht es denn mit Ihnen?”
Er sah ihr bei der Frage aufmerksam in die Augen. Langsam ließ er seinen Blick dann zu ihrem Mund gleiten. Ein Schauer lief ihr über die Haut. Sie rechnete damit, dass er sie jetzt küssen würde. Mehr noch, sie war sich ganz sicher. Und sie wollte auch, dass er es tat.
Unvermittelt ging ein Ruck durch seinen Körper. Seth nahm die Hand von der Leiter und trat zurück. Aus ihrer kleinen Enttäuschung von eben wurde schiere Frustration.
Er drehte ihr den Rücken zu und betrachtete das Zimmer. Das gab ihr die Gelegenheit, sich einen Augenblick zu sammeln. Die Frage, die er ihr gestellt hatte, war gar nicht so schlecht. Wusste sie eigentlich, was sie wollte?
Während er im Zimmer herumging und jetzt ans Fenster trat, folgte sie ihm mit den Augen, und ihr fiel auf, dass er deutlich weniger humpelte als gestern.
“Was macht Ihr Fuß?”
“Dem geht es schon besser.” Seth fuhr mit den Fingerspitzen über das glatt geschliffene Holz des Türrahmens zum Badezimmer. “Saubere Arbeit”, meinte er anerkennend.
“Danke”, erwiderte Hannah und kam nun ganz von der Leiter herunter. “Ich muss hier nur noch lackieren. Danach kommen das Zimmer und das Bad nebenan dran. Und dann bin ich fertig.”
Seth steckte den Kopf in das kleine Badezimmer, vor dem er stand. Die neuen schwarz-weißen Bodenfliesen waren noch aufgestapelt. Hannah hatte noch niemanden gefunden, der sie verlegen konnte. Um einen professionellen Handwerker zu bestellen, fehlte ihr bislang das Geld. Seth zog den Kopf wieder zurück und betrachtete als Nächstes den Deckenventilator, der noch im Karton verpackt auf dem Fußboden stand. Es war ein schönes Stück aus Messing, das Hannah äußerst günstig bei der Auflösung eines Haushaltswarengeschäfts erstanden hatte.
“Wann wollen Sie Ihre Frühstückspension denn aufmachen?”
Ein wenig verlegen zuckte Hannah die Achseln. “Ich weiß es noch nicht genau – Weihnachten vielleicht.”
“Warum erst Weihnachten?”
Hannah zögerte mit der Antwort. Sie hatte keine Lust, ihm ihre desolate Finanzlage auseinanderzusetzen. Denn das könnte den Eindruck erwecken, als wolle sie sein Mitleid. “Das Haus haben meine Großeltern meiner Mutter und meiner Tante Martha vermacht. Als meine Mutter vor sechs Jahren starb, fiel ihre Hälfte an mich. Bis vor drei Jahren war es vermietet. Aber dann brauchte ich mit den Kindern eine Bleibe, nachdem …” Hannah stockte.
Seth sah sie aufmerksam an. “… nachdem Sie geschieden waren?”
“Zunächst lebten wir nur getrennt. Die Scheidung wurde ein Jahr später ausgesprochen.” Hannah stieg wieder auf die Leiter und machte sich wieder an dem Fensterrahmen zu schaffen. Jetzt wird er als Nächstes fragen, warum ich mich habe scheiden lassen, dachte sie. Alle fragten das. Eigentlich sollte ihr das nichts ausmachen. Sie kannte die Gründe nur zu gut und wusste, dass es für sie und auch für die Kinder so besser gewesen war. Trotzdem mochte sie diese Frage nicht, und erst recht nicht, wenn sie von Seth kommen würde.
“Lebt die Tante, die gestern angerufen hat, in Boston?”, fragte Seth stattdessen.
Sie war froh, dass er sich nicht wie all die anderen verhielt. “Ja. Sie ist die Schwester meiner Mutter. Sie sind hier zusammen aufgewachsen. Später hat sie dann nach Boston geheiratet.”
“Sie muss ja ziemlich sauer gewesen sein, nach dem zu urteilen, was ich gestern mitbekommen habe.”
Hannah glättete einen Riss im Rahmen, den sie vorher gekittet hatte, und pustete den Staub vom Holz. Sie musste sich ablenken, um nicht schon wieder an den Kuss gestern auf dem Sofa zu denken, der ihr noch viel zu stark in Erinnerung war. “Das klingt bei ihr nur so. Seitdem ihr Mann vor einiger Zeit gestorben ist, fühlt sie sich allein und ist ein wenig verbittert.”
Ein kurzes Hupen ertönte vor dem Haus. Hannah stieg von der Leiter und sah aus dem Fenster. Unten stiegen gerade Maddie und Missy aus Loris Kombi und stürmten durch den Vorgarten.
Sie beugte sich hinaus und winkte. “Hier bin ich!”, rief sie hinunter.
Wenige Augenblicke später hörte man die beiden Mädchen die Treppe heraufpoltern. “Mommy! Mommy”,
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