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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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doch als ob er wüsste, dass ich ihm mit den Augen folgte, drehte er sich am Ausgang noch einmal um, warf mir über die Schulter einen schnellen Blick zu und nickte wieder - diesmal allerdings um zu bestätigen, dass das alles soeben keine Einbildung, sondern Wirklichkeit gewesen war.
    Ich wagte es nicht, ihm zu folgen. Verwirrt blieb ich zurück, an meinen Platz gefesselt, schloss die Augen und sog die unreine, verbrauchte Waggonluft ein. Mit der gleichen Feigheit und verschämten Hoffnung, mit der sich Bulgakows Prokurator einen Giftbecher gewünscht hatte, sehnte ich mich auf einmal nach einer Dosis Phenazepam. Die Versuchung, mich im Schlaf zu verlieren und alles zu vergessen, war so groß, dass ich auf dem Weg nach Hause vor dem Schaufenster einer Apotheke stehen blieb und einige lange Minuten mit mir kämpfte, die Stirn gegen die kalte Fensterscheibe gelehnt, während mein Blick sich in der künstlichen Nadelbaumgirlande verfing, die sich um die
Neon-Leuchtreklame mit dem Schriftzug 24 STUNDEN rankte.
    Die erste Runde endete mit einer Niederlage. Erst an der Verkaufstheke kam ich wieder zu mir, als der mürrische Apotheker mich fragte, wie lange ich noch die Schlange hinter mir aufhalten wolle. Verwirrt bat ich um eine Packung Aspirin, huschte zur Kasse und verließ hastig die Apotheke.
    Keine Ahnung, ob es die richtige Entscheidung war, Neujahr nicht in Morpheus’ Armen zu verbringen. Schwer zu sagen, ob es mir geholfen hätte, mich am Rand des Abgrunds zu halten - jedenfalls hätte ich mir in dieser Nacht sicher ein paar zusätzliche graue Haare erspart.
     
    Den Neujahrsbaum schmücken! Ich stieg auf einen wackelnden Stuhl und holte aus dem Hängeregal die verstaubte Pappschachtel mit der Dekoration. Vorsichtig wickelte ich die dunkelblauen und kirschfarbenen Glaskugeln aus dem Zeitungspapier und wischte sie sorgfältig ab, blies auf die mit rauem Schnee bestreuten Zapfen und kontrollierte die Lichterketten. Wie immer war ich mit dem Baumständer gut beschäftigt, aber ich war nur froh darüber. Im Radio ertönte gerade ein moderner Popsong. Die Stimme gehörte einer völlig unbegabten Silikonblondine mit einem Hündchennamen, doch anstatt stirnrunzelnd einen anderen Sender einzustellen, sang ich einfach mit. Mühelos intonierte ich das runde Dutzend ungelenk aneinandergereihter Worte des Refrains über die irdische Liebe, zu der simplen Melodie und tat dies mit der gleichen Sorgfalt, mit der ein buddhistischer Mönch seine geheimsten Mantras wiederholt.
Und während ich den vom Polieren wieder glänzenden Neujahrsschmuck wie einen Rosenkranz durch meine Finger gleiten ließ, spürte ich, wie ich mich nach und nach beruhigte.
    Zum ersten Mal in den letzten Jahren bedauerte ich es ehrlich, keinen Fernseher zu haben. Aus dem gleichen Grund, aus dem ich mich stets geweigert hatte, einen anzuschaffen: weil dieses Gerät in der Lage war, das menschliche Bewusstsein zu unterwandern, ja es vollständig zu ersetzen. Kritischem Denken begegnete es mit politischen Talkshows, anstelle eigener Emotionen verkaufte es das auf Hochglanz polierte Glück und die miserabel synchronisierte Hysterie der Soap-Stars und wirkliche Wissbegierde verstopfte es mit Nachrichtensendungen. Heute aber hatte ich Lust, meinen Verstand genau wie der Rest des Landes in diesen Apparat einzusperren. Sollten doch irgendwelche fremden Fiktionen voller verdeckter Werbebotschaften meine eigenen, in jüngster Zeit ziemlich überbordenden Fantasien verdrängen, so wie die Funkmasten des KGB seinerzeit die Sender der kapitalistischen Länder abgewürgt hatten. Ich wollte, dass jemand in meinem Kopf selige Stille und Leere einschaltete und diese verfluchte Angst und nagende Einsamkeit ausknipste.
    Nachdem ich meinem Baum den roten Stern aufgepflanzt hatte, kontrollierte ich noch einmal die Wohnungstür, stellte das Radio lauter und begann mich der Zubereitung des Neujahrssalats zu widmen. Die segensreiche Nachricht, dass sich Väterchen Frost aus Weliki Ustjug auf seinem Schlitten bereits Moskau näherte, wurde plötzlich von einer Sondermeldung über ungewöhnlich heftige Erdstöße vor der
Küste Taiwans unterbrochen. Einige Küstenstädte waren von einem Tsunami heimgesucht worden, und nun stand fast die ganze Volksrepublik China ohne Internet da - das Seebeben hatte einige im Ozean verlegte Unterwasserkabel beschädigt.
    Die dritte Meldung dieser Art innerhalb einer halben Stunde brachte mich ins Wanken, obwohl mir bis dahin Lichterketten,

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