Susanne Barden 01 Hinaus ins Leben
Sie erschreckt habe. Man schickt Sie nicht fort. Sie sollen sich nur auf Station 7 zum Dienst melden.«
Susy atmete auf. Aber dies war fast ebenso schlimm. Sie mußte Station 23, die ihr so vertraut geworden war, verlassen. Sie würde in eine andere Umgebung kommen, wo sie niemand kannte, wo sie sich erst wieder einen Platz erobern mußte. Liebe, alte Station 23! Susy verspürte den lächerlichen Wunsch, den Saal mit allem Drum und Dran zu umarmen.
»Wie schade, Schwester Waring!« rief sie.
»Ich bedaure es ebenfalls, Schwester Barden. Aber Sie können nicht während Ihrer ganzen Probezeit auf einer chirurgischen Station arbeiten, sondern müssen auch den Betrieb auf einer medizinischen Station kennenlernen.«
»Ich wollte meine Haube so gern auf Ihrer Station bekommen - wenn ich sie überhaupt bekomme.«
»Sie können uns ja besuchen, wenn es soweit ist.«
»Darf ich? Ja, das tue ich bestimmt.«
Als Susy sich von der Station verabschiedete, hatte sie wirklich das Gefühl, »ins Leben hinauszugehen«.
Frau Pasquale begleitete sie zur Tür. Es war ihr offenbar nicht ganz klar, was eigentlich vorging, aber sie verstand, daß Susy die Station verließ. »Leben Sie wohl, liebes Mädchen!«
»Auf Wiedersehen, Frau Pasquale«, sagte Susy leise und schloß die Tür des Saales hinter sich.
Susys erster Eindruck von Station 7 waren hohe weiße Wände, gedämpfte Unruhe und allgemeine Niedergeschlagenheit. Es war ungewöhnlich für sie, nur männliche Patienten zu sehen und rauhe Stimmen aus den Betten zu hören. Hier brauchte sie niemand zu baden. Alle derartigen Arbeiten wurden von Krankenpflegern gemacht.
Die Männer waren viel verdrießlicher als die Frauen auf Station 23. Susy wunderte sich darüber. Sie wußte noch nicht, daß die Stimmung auf einer Station das Wesen der Stationsschwester widerspiegelt.
Die Stationsschwester war eine junge Frau mit einer Hakennase und kalten blauen Augen. Sie trug ihre weiße Tracht mit der Miene einer Königin und empfing Susy mit den Worten: »Himmel, noch eine Probeschwester! Ich habe es ohnedies schon schwer genug.«
»Sie ist so warm und trostreich wie ein Henkerbeil«, sagte Susy zu Connie. Zu ihrer Freude war Connie ebenfalls nach Station 7 versetzt worden. Die beiden befanden sich in dem sonnigen stillen Dienstzimmer. Connie bereitete eine Seifenlauge, und Susy hatte den Auftrag bekommen, das Zimmer sauberzumachen. So fanden sie Gelegenheit, ihre Erfahrungen auszutauschen.
»Sie ist unsicher und befürchtet, daß jemand es ihr anmerken könnte«, sagte Connie.
»Natürlich, du hast recht! Darauf wäre ich nicht gekommen.«
Susy, der es nicht gegeben war, die Menschen sofort zu durchschauen, bewunderte oft Connies Scharfsinn.
Connie streifte den Seifenschaum von ihren Fingern und hielt die Hände unter die Leitung. Sie hatte sehr gepflegte Hände.
»Du hättest die Stabsvisite erleben müssen, Susy«, sagte sie kichernd. »Es war einfach prachtvoll.«
»Erzähle!« Susy hielt in ihrer Arbeit inne und setzte sich auf die Kante des Abwaschtisches. Die Stabsvisite auf Station 23 war überhaupt nichts Besonderes gewesen. Ein Chirurg, gefolgt von einem Assistenzarzt - manchmal waren es auch zwei - kam in den Saal und sprach ein paar Worte mit Schwester Waring, die ihn dann auf seiner Runde begleitete. Er untersuchte die schweren Fälle, gab einige Anweisungen und verschwand wieder.
»Es war fast wie bei Hofe«, berichtete Connie grinsend. »Der große Mann - er ist ein kleines Männchen mit einem Mittelscheitel - trat ein, hinter ihm acht Assistenzärzte, die gewichtige Mappen mit Krankengeschichten schleppten. Schwester Hackett sprang mit unbeschreiblicher Anmut von ihrem Stuhl auf. Das hättest du sehen müssen!«
Susy lachte. »Zu schade, daß ich nicht dabei war!«
»Er aber würdigte sie keines Blickes, sondern hob sein Näschen zur Decke und sagte .« Connie machte eine Pause.
»Was sagte er?«
»Es war nur ein einziges Wort, aber das sagte er mit dem Ton eines Mannes, der es gewohnt ist, daß selbst sein leisestes Flüstern in der ganzen Welt vernommen wird. Nur ein einziges Wort, ohne etwas davor oder dahinter, um es zu stützen.« Connie konnte vor Lachen nicht weitersprechen.
»So rück doch endlich damit raus, Connie!«
»Er blickte zur Decke und sagte - >Suppe!<«
»Was?«
»Suppe, mein Kind.«
»Wenn du mir einen Bären aufbinden willst .«
»Nein, wirklich, Susy. Er sah zur Decke empor und sagte >Sup- pe!< Die Assistenzärzte stellten sich
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