Svantevit - historischer Roman (German Edition)
geübten Bogenschützen standen und damit nun unfreiwillig zu Ausbildern werden würden, blickten sich an.
"Hättest du dich nicht zu den Anfängern gesellen können?", fragte Granza Radik im Flüsterton, "Dann hätten wir uns jetzt zusammengetan und leichtes Spiel gehabt."
"Das könnte ich auch dich fragen", gab Radik zurück.
"Ich wäre doch sogleich aufgefallen", erwiderte Granza, "Man kennt mich hier schließlich und weiß, dass ich den Bogen führen kann."
"Nun ist es jedenfalls zu spät", stellte Radik fest, "Machen wir also das Beste daraus."
"Ist es gestattet, die Herren bei der Unterhaltung zu stören?", machte Kolmak ihrem Plausch ein Ende und die beiden sahen, dass sie die Einzigen waren, die sich noch keinen Partner gesucht hatten.
Die Auswahl war nun nicht mehr sehr groß und schließlich stand Radik vor einem Kerl, der noch fast einen Kopf über ihn hinausragte. Er war schlank, wirkte irgendwie schlaksig. Radik meinte, sich erinnern zu können, ihn bei den Schwertkämpfen als mutig und ausdauernd, aber auch etwas ungeschickt erlebt zu haben. Doch es nützte nichts, lange zu grübeln, heute Abend jedenfalls musste dieser Bursche irgendwie den Pfeil ins Ziel bringen.
Kolmak und seine Männer hielten sich weitgehend zurück und beobachten die Szenerie. Sie hatten veranlasst, dass man sich in einer Reihe nebeneinander aufstellte und angeordnet, mit den in die Bögen gespannten Pfeilen immer nur in eine Richtung zu zielen. Andernfalls hätte es bereits nach kurzer Zeit die ersten Verletzten gegeben, da einige der Übenden ihre Umgebung völlig zu vergessen schienen.
In einiger Entfernung ließ Kolmak hölzerne Zielscheiben aufbauen, die aus aufgerichteten Baumscheiben bestanden. So konnte sich jedermann auf die Aufgabe einstellen, die es am Ende zu bewältigen galt.
"Am besten ist, wenn du dir erst einmal anschaust, wie ich das mache", schlug Radik seinem Schützling vor, welcher zwei Jahre älter war als er und Knuwan hieß.
"Der Bogen wird knapp unterhalb der Mitte gefasst. Dann legst du den Pfeil ein, spannst das Band, zielst ruhig und lässt los."
Der Pfeil steckte wenig später genau in der Mitte einer der Baumscheiben.
"Nun versuche du es", forderte Radik und beobachtete alles genau, "Es kann nichts passieren."
Sogleich bemerkte er jedoch, dass Knuwan das Armleder rechts angelegt hatte.
"Halt!", unterbrach er sofort, "Bist du etwa Linkshänder?"
Knuwan sah ihn verständnislos an.
"Mit welcher Hand führst du dein Schwert?", fragte Radik daher.
"Na mit dieser – wie alle", sagte Knuwan, während er den rechten Arm etwas vorstreckte.
"Das Armleder gehört an den Unterarm, mit dem du den Bogen hältst. Sonst kann dich das vorschnellende Band dort verletzen", erklärte Radik.
Beim ersten Schuss pfiff das Band, als wolle es den Pfeil auf eine endlose Reise schicken. Dieser aber landete bereits in kurzer Entfernung auf der Erde.
"Nicht mit Gewalt", mahnte Radik, "Erlerne zuerst, den Pfeil sicher abzuschießen! Später kannst du dann immer mehr Kraft in den Schuss legen."
Doch auch die nächsten Versuche waren nicht zufrieden stellend. Knuwan war anscheinend immer noch der Meinung, der Pfeil müsse durch kraftvolle Bewegungen zum Fliegen gebracht werden. Man hatte fast den Eindruck, er wolle ihn wie eine Lanze fortstoßen.
Also ließ Radik Knuwan ein paar Trockenübungen ohne Pfeil machen, nur den Bogen gerade halten, die Sehne spannen, ein Ziel anvisieren und dann, ohne irgendwelche Zuckungen oder Verreckungen, loslassen.
"Die Kraft, die der Pfeil zum Fliegen benötigt, bekommt er allein durch das gespannte Band", bemühte sich Radik um eine erneute Erklärung, "Er braucht keinen weiteren Schubs. Dies lässt den Schuss nur verunglücken."
Radik erinnerte sich, wie sein Vater ihm vor vielen Jahren das Bogenschießen beigebracht hatte und er wusste, dass ihm damals dieselben Fehler unterlaufen waren.
Nach einer Weile wurden die Versuche etwas besser, auch wenn Radik den Eindruck hatte, dass Knuwan es hierbei wohl nie zu wahrer Meisterschaft bringen würde. Er wirkte in seinen Bewegungen doch allzu ungeschickt.
Befriedigt sah Radik, wie auch einige der anderen Anfänger Schwierigkeiten hatten, den Pfeil überhaupt halbwegs vom Bogen wegzubekommen. Es gab aber ebenso einige, bei denen bereits der erste Schuss saß. Vielleicht hatte sich auch mancher in die falsche Gruppe gemogelt, weil er meinte, es dort bequemer zu haben.
Granza redete ruhig und geduldig auf seinen Schützling ein.
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