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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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Augen wieder öffnete, war sein Bruder verschwunden. Panik ergriff Morgan, und er schrie, schrie nur noch: “Ham! Ham!”
    Dann spürte er, wie er nach unten gezogen wurde. Sein Mund füllte sich mit Wasser, er konnte nicht mehr atmen, doch er redete sich gut zu, dass er nicht untergehen konnte. Nicht untergehen würde. Er musste nur den Kopf über Wasser halten. Er musste seinen Bruder wiederfinden. Er musste kämpfen. Er stieß in die Wellen, wütend, weinend, suchend, schreiend.
    Morgan schreckte hoch, rang nach Luft, die Augen weit aufgerissen. Er war schweißgebadet. Er sah sich im Zimmer um – bereit, auf die kleinste Bewegung zu reagieren. Er brauchte ein paar Minuten, um von seinem Albtraum vollständig zu erwachen und seine Umgebung wiederzuerkennen. Das Mondlicht sickerte ins Zimmer und gab seinem Körper einen leichenhaft fahlen Schein.
    Er fiel aufs Bett zurück und legte einen Arm über die Augen. Er hatte diesen Albtraum schon so oft gehabt, wenn auch seit Jahren nicht mehr so intensiv. Als Kind hatte er ihn wieder und wieder geträumt. Und jedes Mal war er schreiend und weinend aufgewacht. Irgendwann hatte er sich vor dem Einschlafen gefürchtet.
    Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und wurde etwas wacher. Auch wenn ihm die Müdigkeit und der Alkohol in den Knochen steckten, zwang er sich dazu, sich jedes Detail des Unfalls wieder in Erinnerung zu rufen, dieses Mal jedoch in wachem Zustand. Er musste sich auseinandersetzen mit dem, was an jenem Tag passiert war. Er spürte, dass sein Bruder in der Nähe war und ihn drängte, sich zu stellen. Er konnte seine Stimme in seinem Kopf hören.
    Er rieb sich die Augen und starrte in die Dunkelheit. Genug von diesem Mist! Er hatte die Schnauze voll. “Komm her!”, rief er nach seinem Bruder. “Ich weiß, dass du da bist. Lass uns das ein für alle Mal klären!”
    Denk nach, Kleiner. Was hast du gemacht, als der Sturm uns getroffen hat?
    Morgan zwang seine Gedanken zu diesem unseligen Tag zurück. Er hatte begonnen wie alle anderen auch, ein schöner Sommertag wie so viele andere. Sie waren in Bum’s Camp gewesen, so wie immer. Er hatte das schlechte Wetter heraufziehen sehen und Hamlin gesagt, dass sie besser nach Hause fahren sollten. Aber sein Bruder hatte an irgendetwas gearbeitet und wollte nicht. Er hatte ihn aufgezogen, ihn einen Angsthasen genannt und ein Baby – solche Sachen. Als aber der erste Donner zu hören war, sah auch Hamlin prüfend zum Himmel und befand es an der Zeit, nach Hause zu fahren. Doch auch wenn Morgan damals erst acht Jahre alt war, wusste er, dass es dafür längst zu spät war, denn sie mussten in ihrem kleinen Boot ein Stück weit über das offene Meer fahren. Und schließlich war es Hamlin gewesen, der ihm beigebracht hatte, dass mit dem Wetter nicht zu spaßen war.
    Du hattest Schiss
.
    “Natürlich hatte ich Schiss.” Er hatte sich am Bootsrand festgeklammert wie ein Baby. Aber als er seinen Bruder angesehen hatte, war da dieses herausfordernde Funkeln gewesen, das manchmal ganz plötzlich in seinen Augen aufblitzte. Hamlin hielt das Ruder fest in der Hand, das sonnengebleichte Haar vom Wind zerzaust und jeden Muskel seines Körpers angespannt. Stark und unerbittlich wie ein Schiffsmast trotzte er dem Sturm. Er lachte.
    Hamlin war zehn Jahre älter als Morgan, die nichtsnutzige Rotznase. Für ihn war sein Bruder ein Gott. Hamlin war für Morgan mehr Vater als sein wirklicher Vater. Er hatte ihm fast alles beigebracht, was er wusste. Aber Hamlin hatte seine wilde Seite und liebte das Risiko – er lachte der Gefahr ins Gesicht. Er hatte in seinem Traum gelacht, und Morgan hörte ihn jetzt wieder lachen.
    Sein Lachen hatte Morgan wütend gemacht. Doch als es plötzlich aufgehört hatte, war Panik in ihm aufgestiegen. Er hatte Hamlin nicht geglaubt, als er gesagt hatte, sie würden schon klarkommen.
    Hast du geglaubt, ich mache einen Fehler?
    Morgan konnte die Anwesenheit seines Bruders spüren.
    “Du hast getan, was du konntest. Du konntest ja nichts dafür, dass der Motor versagt hat.”
    Dann habe ich dir die Schwimmweste gegeben
.
    Morgan nickte und presste die Lippen aufeinander. “Du hättest sie selber anziehen sollen!”
    Also glaubst du, es war mein Fehler, dir die Schwimmweste zu geben?
    “Nicht dein Fehler. Aber wenn du die Schwimmweste selbst angezogen hättest, wärst du nicht gestorben.”
    Aber du
.
    “Nein”, brachte er hervor. “Ich hätte mich an dir festgeklammert. Ich hätte dich niemals

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