Sweetgrass - das Herz der Erde
hätte wirklich genug Geld, um diesen Besitz zu halten.”
“Adele ist diejenige, die am stärksten darauf drängt, zu verkaufen. Ich weiß es nicht sicher, aber Nan glaubt, dass Adele und Hank einen Bebauungsplan ausarbeiten, bei dem Sweetgrass das Herzstück ist.”
“Dann sind sie nicht besser als irgendwelche Spekulanten”, sagte Nona ungnädig.
“Ach, ich weiß nicht”, erwiderte Mama June unsicher. “Nan und Hank können es sich nicht leisten, Sweetgrass zu halten. Morgan auch nicht. Nicht bei den Steuern und Versicherungstarifen, wie sie zurzeit sind. Preston und ich sind alte Leute.
Wir
sind die Letzten in der Reihe, fürchte ich. Es ist nicht anders als mit deinen Körben. Was sollen wir tun, wenn unsere Kinder nicht weitermachen wollen? Oder wenn sie es sich nicht leisten können? Oder wenn sie woanders hinziehen wollen?”
“Ich weiß es nicht”, entgegnete Nona und schüttelte traurig den Kopf. “Ich finde nur, wir dürfen nicht so einfach aufgeben. Wir müssen die Tradition bewahren. Wir beide. Es steht zu viel für die kommenden Generationen auf dem Spiel, als dass wir das alles aufgeben dürften. Das Land bewahren, das Sweetgrass retten. Denn wenn es erst mal verschwunden ist, dann für immer.”
Ihre Unterhaltung wurde unterbrochen, als jemand Hallo rief. Als sie über das Geländer der Veranda schaute, sah Mama June Kristina am Fuß der Treppe stehen. Sie trug ein hauchdünnes T-Shirt über Badeanzug und Shorts.
“Wo wollen Sie denn hin?”, fragte Mama June. “Sieht aus, als wollten Sie schwimmen gehen.”
“Stimmt. Morgan hat mir von Blakely’s Bluff erzählt. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich einen Spaziergang dorthin unternehme?”
Mama June warf Nona einen kurzen Blick zu. Nona sah nicht von ihrer Arbeit auf und schaukelte ungerührt weiter.
“Nein, natürlich nicht”, antwortete sie. “Das ist genau richtig, um ein bisschen zu schwimmen. Aber das ist nicht gerade ein Spaziergang, eher eine Wanderung. Warum nehmen Sie nicht eines von den Fahrrädern? Sie haben Glück, denn Morgan hat gerade erst die Reifen geprüft. Sie sollten alle in Ordnung sein.”
“Ach so?” Kristina machte ein erstauntes Gesicht. “Er war ein bisschen ungenau mit seinen Erklärungen. Er meinte nur, ich käme direkt hin, wenn ich immer der Straße folge.”
“Das stimmt, trotzdem ist es ein ganz schönes Stück.”
Kristina blickte die Straße hinunter und überlegte kurz, dann schaute sie wieder zu Mama June und sah sie fragend an. Sie kam ein Stück die Treppe hinauf.
“Darf ich Sie etwas fragen?”
Mama June sah Nona an, die ihre Arbeit unterbrochen hatte und interessiert aufsah.
“Das kommt darauf an, was.”
“Na ja, es geht um Morgan. Er war plötzlich so komisch, als ich ihn gefragt habe, ob er mitkommt nach Blakely’s Bluff. Ich hoffe, ich bin nicht zu weit gegangen.”
Mama June blickte Nona an. Die murmelte nur “Oh mein Gott” und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
“Es tut mit leid”, stieß Kristina hervor. “Ich wollte nicht neugierig sein. Vergessen Sie’s.”
“Nein, meine Liebe”, antwortete Mama June. “Sie sind nicht neugierig. Es ist kein Geheimnis, aber ein schmerzhaftes Thema. Wir reden nicht oft darüber, und Morgan gar nicht.”
Die Worte kamen ihr nur mühsam über die Lippen. Doch sie wusste, dass sie es erklären musste. Nun war nicht die Zeit für moralische Bedenken. Sie atmete tief durch und sagte dann schnell: “Wissen Sie, Morgan geht nicht gern zum Kliff.” Sie nahm noch einen tiefen Atemzug.
Nona hörte auf zu schaukeln und unterbrach die Stille. “Morgans Bruder ist vor Blakely’s Bluff bei einem Bootsunglück ums Leben gekommen.”
Kristinas Augen wurden groß vor Schrecken, und sie blickte die beiden Frauen erschüttert an. “Es tut mir ja so leid.”
“Das ist schon sehr lange her”, entgegnete Mama June distanziert.
“Deswegen geht Morgan nicht mehr zum Kliff”, erklärte Nona. “Es weckt zu viele Erinnerungen. Wissen Sie, Morgan war damals mit Hamlin im selben Boot.”
“Oh”, antwortete Kristina, und ihr Gesichtsausdruck zeigte, dass sie verstand. “Armer Morgan.”
“Gott hat es so gewollt”, antwortete Mama June. Sie hatte es so oft gesagt, dass es ihr wie von selbst über die Lippen kam.
Nach einer unangenehmen Pause, die deutlich machte, dass das Thema beendet war, besann sich Kristina. “Tja, vielen Dank, dass Sie es mir gesagt haben. Es ist gut, wenn ich darüber Bescheid weiß. Jetzt mach ich mich
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