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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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Lippen waren zusammengepresst.
    Das Blut wich ihr aus dem Gesicht. Fort, nur fort von hier. Sie stürmte los. Gallagher versperrte ihr den Weg, seine Hände versuchten, sie zu fassen, doch sie verpasste ihm einen mustergültigen Hieb mit dem Ellbogen, kämpfte sich frei. Der Flur! Sie schnappte sich ihre Jacke und hämmerte mit einer Handfläche auf den Monitor ein. Nicht abgesperrt! In der nächsten Sekunde befand sie sich schon im Treppenhaus und hastete die Stufen hinunter.
    »Zarah! Halt!« Der Ausruf kam von oben. Verfolgte er sie gar nicht? Sie stürmte nach draußen und schnappte sich das Fahrrad.
    Über den Dächern der Stadt stand die Sonne. Er würde sie nicht melden. Ganz bestimmt nicht. Denn damit würde er sich sein eigenes Grab schaufeln. Also konnte sie aufatmen und bis zum Ende der Ausgangssperre nachdenken, was sie weiter unternehmen sollte. – Nachdenken? Ja, klar. Das hatte sie auch sehr weit gebracht bis jetzt. Ash hätte sie nach dieser Aktion mit freundschaftlichem Spott überschüttet, wäre er noch bei ihr gewesen.
    Zarah trat in die Pedale. Das Statuslämpchen an ihrem Armband leuchtete gelb.

8
    Gallagher hörte noch, wie unten die Haustür zuknallte, dann knallte es auch schon hinter ihm – die Wohnungstür, die der Luftzug mit aller Wucht zugeworfen hatte. Weil er das Haussystem, das bei Zarahs Auftauchen vor lauter Warnmeldungen zu hyperventilieren drohte, lahmgelegt hatte, war die elektronische Sperrvorrichtung ausgefallen.
    »Zarah!« Wie so oft entlud sich seine Entrüstung in diesen zwei Silben, die ihn meist zur Verzweiflung brachten. »Zarah!«, brüllte er erneut, mehr aus Frust als von der Hoffnung getragen, dass es sie zur Umkehr bewegen würde. Er ballte die Hände, als hätte er sie doch noch zu fassen bekommen, um sie zumindest kräftig durchzuschütteln. Nicht nur, dass sie seinen PC missbraucht hatte, jetzt stand er auch noch mit nackten Füßen auf dem kalten Steinboden vor seiner Tür. Die zwar nicht digital gesperrt, jedoch durch das gute alte mechanische Schnappschloss definitiv geschlossen war.
    »Ihr Geister, wie kann ein einziges Wesen so viel Unheil heraufbeschwören?« Er fuhr herum und hämmerte seine Faust gegen die Tür. Der Schmerz in den aufgeschlagenen Knöcheln brachte ihn zur Vernunft. Durchatmen. Das Anklopfen dürfte laut genug sein.
    Er prüfte die Taschen seiner Jeans und fand seinen Ausweis, eine Plastikkarte, die seine Stellung als Mitarbeiter des Ordnungsamtes bescheinigte. Er schob das Kärtchen in den Spalt zwischen der Tür und dem Rahmen, froh über die vielseitige Verwendbarkeit des Plastikutensils. Im Nu hatte er die Falle zur Seite gedrückt und gelangte in die Wohnung, ohne Friedberts Sticheleien über sich ergehen lassen zu müssen. Jetzt galt es herauszufinden, was Zarah im System des Ordnungsamtes angestellt hatte und in welchem Schlamassel sie diesmal steckte.
    Mit wenigen Tastenkombinationen rief er die Logdatei auf, ohne die Verbitterung ganz hinunterschlucken zu können. In der kurzen Umnachtung seines rationalen Verstandes hatte er doch tatsächlich geglaubt, Zarah wäre zu ihm wenigstens als zu einem Freund gekommen, wenn er auf mehr schon nicht hoffen durfte. Und im Verborgenen – die Umnachtung war wohl bedenklicher gewesen, als er angenommen hatte – täuschte ihre Nähe ihm vor, dass alles, was verloren war, doch noch zurückgewonnen werden konnte. Er hatte nicht nur ihre bloße Anwesenheit gespürt, sie war bei ihm – in jeder Zelle seines Körpers. Auch jetzt noch hallte sie in ihm nach – wie ein heller Klang, eine schmerzhafte Erinnerung.
    »Konzentrier dich lieber.« Er biss sich in die Unterlippe und überflog die Einträge der Logdatei, erleichtert darüber, dass Zarah zumindest keinen Sicherheitsalarm ausgelöst hatte. Dennoch hatte sie sich selten rücksichtslos angestellt. Er hoffte inständig, der Erste zu sein, der die Spuren bemerkte. Sonst gäbe es weder für sie noch für ihn irgendeine Rettung.
    »Mal sehen. Die Fälle H-110426-36 und H-110712-18. Der Formwandler und der Gluhschwanz. Das wird ja immer interessanter.«
    Er leitete die Kopien der Berichte an den Drucker und beseitigte alle Spuren im System. Die beiden Fallakten hatten seinen ganzen Blattvorrat aufgebraucht – bereits vor Jahren hatte der Oberste Dämonenrat Papier streng rationiert und jede Papierbenutzung angesichts der Digitalisierung als Verschwendung eingestuft. Odas Stapel erreichte glatt die Dicke von Remarques gesammelten Werken, die er

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