Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
Kitsune mit ihrer eigenen, ebenbürtigen Macht bekämpfte. »Sie sind
eine sehr mächtige Hexe.«
Mrs Flowers’ Miene war reserviert. »Es ist sehr freundlich von dir, das
zu sagen, Liebes.«
Bonnie zwirbelte sich nervös eine Locke um einen Finger und wählte
ihre nächsten Worte mit Bedacht. »Nun … natürlich nur, wenn Sie wollen
– nur wenn Sie Zeit haben –, dann würde ich mich gern von Ihnen ausb-
ilden lassen. Mir von Ihnen das beibringen lassen, was immer Sie mir
beibringen möchten. Ich kann Dinge sehen, und ich bin besser darin ge-
worden, aber ich würde gern alles lernen, alles andere, was Sie mir noch
zeigen können. Über Wünschelruten und Kräuter. Schutzzauber. Einfach
alles, meine ich. Ich habe das Gefühl, dass es so vieles gibt, was ich nicht
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kenne. Und, nun ja, vielleicht habe ich Talent, verstehen Sie? Ich hoffe es
jedenfalls.«
Mrs Flowers sah sie für einen langen Moment anerkennend an und
nickte dann.
»Ich werde dich unterrichten«, sagte sie. »Mit Vergnügen. Denn du
besitzt großes natürliches Talent.«
»Wirklich?«, fragte Bonnie schüchtern. Ein warmes Glücksgefühl füllte
plötzlich die Leere in ihr aus, die sie noch Sekunden zuvor zu verschlingen
gedroht hatte.
Dann räusperte sie sich und fügte, so lässig sie konnte, hinzu: »Und ich
habe mich gefragt … können Sie eigentlich mit jedem reden, der tot ist?
Oder nur mit Ihrer Ma ma ?«
Mrs Flowers antwortete nicht sofort. Bonnie hatte das Gefühl, als
schauten die scharfen blauen Augen der alten Dame direkt durch sie
hindurch und analysierten ihren Geist und ihr Herz. Als Mrs Flowers dann
sprach, war ihre Stimme sanft.
»Mit wem willst du dich in Verbindung setzen, Liebes?«
Bonnie zuckte zusammen. »Mit niemand Bestimmtem«, antwortete sie
hastig und löschte in ihrem Geist ein Bild von Damons tiefschwarzen Au-
gen. »Es kommt mir nur ziemlich nützlich vor. Und auch sehr interessant.
Zum Beispiel könnte ich auf diesem Weg alles über die Geschichte von
Fell’s Church erfahren.« Sie wandte sich von Mrs Flowers ab, beschäftigte
sich mit den Limonadengläsern und ließ das Thema für den Augenblick
ruhen.
Aber es kommt der Zeitpunkt, zu dem ich noch einmal fragen werde,
dachte sie. Bald.
»Das Wichtigste ist jetzt«, sagte Elena ernst, »dass wir Meredith
beschützen. Wir haben eine Warnung bekommen, und die müssen wir
nutzen, statt bloß herumzusitzen und uns darüber Gedanken zu machen,
von wem sie kommt. Wenn etwas Schreckliches – etwas, das ich irgendwie
heraufbeschworen habe – bevorsteht, dann werden wir uns damit
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befassen, wenn es eintritt. Aber im Augenblick passen wir erst einmal auf
Meredith auf.«
Sie war so schön, dass Stefano davon schwindelig wurde – buchstäblich:
Manchmal sah er sie an, betrachtete sie aus einem gewissen Winkel und
bemerkte, als sei es das erste Mal, die zarte Wölbung ihrer Wange, die
schwache rosenblättrige Röte ihrer Haut, den sanften Ernst ihres Mundes.
In diesen Momenten purzelten ihm jedes Mal Kopf und Magen durchein-
ander, als sei er gerade aus einer Achterbahn gestiegen. Elena.
Er gehörte ihr; so einfach war das. Als wäre er Hunderte von Jahren auf
der Suche nach einem einzigen sterblichen Mädchen gewesen – und jetzt,
da er es gefunden hatte, hatte sein unendlich langes Leben endlich einen
Sinn.
Aber du hast sie nicht, flüsterte eine hohle Stimme in ihm. Nicht die
ganze Elena. Nicht wirklich.
Stefano schüttelte den verräterischen Gedanken ab. Elena liebte ihn. Sie
liebte ihn mutig und verzweifelt und leidenschaftlich und viel mehr, als er
verdiente. Und er liebte sie. Das war alles, was zählte.
Und in eben diesem Moment organisierte das süße, sterbliche Mädchen,
das er so liebte, einen effizienten Zeitplan für Meredith’ Bewachung; Elena
wies ihren Freunden verschiedene Pflichten zu, in der gelassenen Erwar-
tung, dass man ihre Anweisungen befolgen würde. »Matt«, sagte sie,
»wenn du morgen Abend arbeitest, kannst du mit Alaric die Tagesschicht
übernehmen. Stefano wird nachts aufpassen, und Bonnie und ich werden
ihn morgens ablösen.«
»Du hättest General werden sollen«, murmelte Stefano ihr zu, was ihm
ein hübsches, flüchtiges Lächeln eintrug.
»Ich brauche keine Wachen«, sagte Meredith gereizt. »Ich habe nicht
umsonst eine Kampfausbildung. Und ich hatte es schon früher mit dem
Übernatürlichen zu tun.« Stefano hatte das Gefühl, als musterte sie ihn
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