Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
bekommen würde, hatten sie die Papiere
der gesamten ersten Mülltüte gesichtet; Alaric hatte gut ein Drittel des
Notizbuches überprüft, in dem Caleb offensichtlich seine magischen Ex-
perimente dokumentiert hatte – in einer fürchterlichen Sauklaue, wie
Alaric sich beklagte.
Elena runzelte die Stirn und blätterte einen weiteren Stapel Papiere
durch. Die Fotos und Zeitungsausschnitte bestätigten, dass Sabrina nicht
zu Calebs Zielpersonen gehört hatte. Der Angriff auf sie hatte wohl damit
zu tun, dass sie übervoll von jener Art Emotion gewesen sein musste, von
der dieses Phantom sich nährte.
»Schnippigkeit«, schlug Meredith vor, während sie darauf bedacht war,
dass Alaric das nicht mitbekam.
Die Zeitungsausschnitte verrieten außerdem, dass Caleb besessen davon
gewesen war, Tylers Verschwinden aufzuklären: Er hatte ganz offensicht-
lich nicht nur Erinnerungen an zwei verschiedene Zeitlinien in Fell’s
Church, sondern suchte zugleich nach handfesten Beweisen dafür, dass es
für ein und dieselbe Zeitspanne zwei Ereignisschienen gab: Auf der einen
war die kleine Stadt zerstört worden und Elena Gilbert war gestorben, auf
der anderen war alles bestens, vielen Dank, und die Highschool-Queen
Elena Gilbert setzte ihre Herrschaft auch außerhalb der Schule fort.
Darüber hinaus hatte Tyler anscheinend im vergangenen Herbst und
Winter mit Caleb telefoniert und ihm von den mysteriösen Ereignissen in
Zusammenhang mit Mr Tanners Tod erzählt. Allerdings klangen Calebs
Notizen nicht danach, als hätte Tyler seine eigene Verwandlung in einen
206/328
Werwolf und seine Verschwörung mit Nicolaus erwähnt – sondern nur
seinen wachsenden Argwohn gegenüber Stefano.
»Tyler«, stöhnte Elena. »Obwohl er schon lange fort ist, schafft er es,
immer noch Ärger zu machen.«
Alarics weitere Untersuchungen des Notizbuches ergaben, dass Caleb
tatsächlich Magie benutzte – um Tyler aufzuspüren und sich an ihnen zu
rächen. Aber die Notizen verrieten nichts darüber, wie er das Phantom
heraufbeschworen hatte.
Und obwohl Alaric jede vielversprechende Notiz, jede Beschwörung und
jede Zeichnung Mrs Flowers vorlegte, waren sie noch nicht dahin-
tergekommen, welche Art von Zauber Caleb gewirkt hatte oder welchem
Zweck die Rosen dienten.
Nachdem Stefano Elena zum Abendessen nach Hause begleitet hatte,
kam er zurück, um zusammen mit den anderen weiter zu recherchieren.
Eigentlich wäre er lieber bei Elena geblieben, aber sie hatte das Gefühl ge-
habt, dass ihre Tante von einem in letzter Minute auftauchenden Gast zum
Essen nicht begeistert gewesen wäre.
Sobald Elena über die Türschwelle trat, spürte sie den schwachen Nach-
klang von Damons nächtlichem Besuch, und die Erinnerung daran, dass
sie erst vor wenigen Stunden in ihrem Zimmer gestanden und einander in
den Armen gehalten hatten, kehrte mit aller Macht zurück. Beim
Abendessen und während sie Margaret eine Gutenachtgeschichte erzählte,
und auch als sie noch einmal mit Meredith telefonierte, um sich nach den
Fortschritten der anderen zu erkundigen, dachte sie voller Sehnsucht an
Damon und fragte sich, ob sie ihn heute Nacht erneut sehen würde. Das
wiederum löste in ihr Schuldgefühle gegenüber Stefano und Bonnie aus.
Es war so selbstsüchtig, Damons Rückkehr vor seinem Bruder geheim zu
halten; und es war selbstsüchtig, überhaupt an ihn zu denken, während
Bonnie in Gefahr schwebte. Dennoch konnte sie ihren Jubel darüber, dass
Damon noch lebte, nicht im Zaum halten.
Endlich allein in ihrem Zimmer, fuhr Elena sich mit einer Bürste durch
ihr seidiges goldenes Haar und zog das schlichte, leichte Nachthemd an,
207/328
das sie in der Nacht zuvor getragen hatte. Draußen war es heiß und feucht,
und durch ihr Fenster konnte sie die Grillen emsig zirpen hören. Die
Sterne leuchteten, und ein Halbmond schwebte hoch über den Bäumen.
Sie wünschte Tante Judith und Robert noch eine gute Nacht, stieg ins Bett
und schüttelte die Kissen um sich herum auf.
Sie rechnete damit, dass sie lange würde warten müssen. Damon ließ
andere gern schmoren, und er liebte den großen Auftritt, daher würde er
wahrscheinlich warten, bis er sicher sein konnte, dass sie schlief, um dann
in ihr Zimmer gerauscht zu kommen. Aber sie hatte kaum das Licht aus-
geschaltet, als sich draußen vor ihrem Fenster ein Stück der Dunkelheit
von der Nacht abzutrennen schien. Es folgte ein kaum wahrnehmbares
Schlurfen von
Weitere Kostenlose Bücher