Tanz der Liebenden
die andere Hälfte seines vierköpfigen Bautrupps in Maryland auf einer weiteren Baustelle beschäftigt war, blieb es also an Brody hängen, die Abnahme für das neu installierte Sanitärsystem mit dem Mann vom Bauamt zu machen, die Trennwand zwischen Kates Büro und der kleinen Küche einzuziehen und das Holz in diesen beiden Räumen abzuschleifen.
Das Anstrengendste allerdings war, dass er den ganzen Tag allein mit seinem Vater arbeitete.
Bob O’Connell steckte gerade mit dem Oberkörper unter der Spüle. Brody hatte die Muße, die Arbeitsschuhe seines Vaters zu betrachten. Die Sohlen waren unzählige Male wieder angeklebt worden. Wenn er könnte, würde er sie sogar antackern, dachte Brody säuerlich. Auf die Idee, sich neue anzuschaffen, wäre sein Vater nie gekommen.
„Wenn ich es nicht brauche, brauche ich es nicht.“ Das war der Standardsatz seines Vaters. Zu allem. Und egal was man sagte, er blieb dabei.
Na ja, das ist seine Sache, ermahnte Brody sich und wünschte sich, dass er aufhören könnte, dauern nach Gründen zu suchen, um sich aufzuregen.
Sie rieben sich ständig aneinander auf. Hatten es immer getan.
Bob verlegte Rohre, Brody zog Gipswände ein.
„Stell endlich diesen verdammten Krach ab“, ordnete Bob an. „Wie soll ein Mensch bei diesem Geplärre arbeiten können?“
Ohne ein Wort zu erwidern, ging Brody zu der kleinen Stereoanlage und schaltete sie aus. Das war schon immer so gewesen: Ganz gleich, welche Musik er auch hörte, für seinen Vater war es „Krach“ gewesen.
Aber Bob fluchte während der Arbeit ständig vor sich hin, und deshalb hatte Brody das Radio angestellt.
„So eine blöde Idee, die Küche in der Mitte durchzuschneiden. Reine Zeit- und Geldverschwendung. Büroraum, so’n Quatsch! Wozu braucht man überhaupt ein Büro, wenn hier doch nur eine Meute Zuckerpüppchen herumhüpft?“
Brody hatte gewusst, dass das kommen würde. Aber jetzt ließ es sich nicht mehr länger hinausschieben, die Wand einzuziehen. „Ich habe die Zeit, der Kunde hat das Geld“, sagte er und zog einen Dübel aus der Tasche.
„Sicher, die Kimballs haben genug Geld. Trotzdem völlig unsinnig, es so aus dem Fenster zu schmeißen. Du hättest ihr sagen müssen, dass sie mit der Abtrennung einen Fehler macht.“
Brody hämmerte einen Nagel in das Holzgerüst, beschwor sich, den Mund zu halten. Trotzdem sprudelten die Worte heraus. „Ich halte es nicht für einen Fehler. Sie braucht keine so große Küche für eine Ballettschule. Die hier war mal für eine Schenke gedacht.“
„Ballettschule.“ Bob schnaubte angewidert. „Ich sage dir, einen Monat nach der Eröffnung kann sie gleich wieder dicht machen. Und dann? Wer will so ein Haus dann kaufen? Mit Kinderwaschbecken! Pah! Die werden nur wieder rausgerissen, und die ganze Arbeit war umsonst. Wundert mich, dass der Mann von Bauamt sich nicht vor Lachen gekrümmt hat.“
„Wenn man Kinder unterrichtet, braucht man auch entsprechend kindgerechte Einrichtungen.“
„Für den Unterricht ist die Schule da.“
„Soweit ich weiß, bieten die aber keinen Ballettunterricht an.“
„Eben. Das sollte dir etwas sagen.“ Der Ton seines Sohnes ärgerte ihn maßlos. Bob sagte sich, es sei besser, das Thema fallen zu lassen, aber er konnte die Worte nicht zurückhalten. „Du solltest mehr tun, als nur dem Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen. Du solltet auch beraten, sie von sinnlosen Investitionen abbringen und sie in die richtige Richtung lenken.“
„Solange es nur deine Richtung ist.“
Bob wand sich aus dem Spülschrank hervor. Die ausgeblichene Baseballkappe, die er trug, erinnerte nur entfernt daran, dass sie einmal blau gewesen sein musste. Sein Gesicht war kantig, von tiefen Falten durchzogen. Früher musste er sehr gut ausgesehen haben mit den grünen Augen – so grün wie die seines Sohnes.
Manchmal dachte Brody, dass die Augenfarbe die einzige Gemeinsamkeit war, die sein Vater und er hatten.
„Achte darauf, wie du mit mir redest, Sohn.“
„Hast du schon mal daran gedacht, dass du dir auch überlegen solltest, was du sagst?“ Brody spürte ein Hämmern im Schädel. Er kannte das. Wut-Kopfschmerzen. Bob O’Connell-Kopfschmerzen.
Bob ließ klirrend die Rohrzange fallen und erhob sich zu seiner vollen Größe. Auch mit sechzig war kein Gramm Fett an ihm, er war drahtig und in Topform. „Wenn du erst mal so lange auf diese Erde gelebt hast wie ich, wenn du so lange in diesem Beruf gearbeitet hast wie ich, dann
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