Terror: Thriller (German Edition)
Peitschenhiebe. Fabrizio warf einen fragenden Blick zu Cesare, der ihm gegenüber auf der anderen Seite der schmalen Straße stand. Er schien nachzudenken. Schließlich machte er eine Kopfbewegung in Richtung Marios Haustür. Okay. Fabrizio löste sich von der Hauswand und ging hinüber auf die andere Seite. Die Haustür stand offen. Einen Spaltbreit nur, aber sie war offen. Aufgebrochen. Die beiden Carabinieri sahen sich einen Moment lang an, dann schob Cesare die Tür ganz auf. Kein »Permesso« diesmal. Sie wechselten kein Wort. Fabrizio hatte Angst vor dem, was er im Haus sehen würde, aber er wusste, was er zu tun hatte. Cesare würde ihm Deckung geben. Er trat ins Haus. Der gleiche modrige Geruch wie bei Elisa Noè. Elisa und Antonio war die Kehle durchgeschnitten und die Gliedmaßen waren abgetrennt worden. Was würde ihn hier erwarten? Er ging behutsam durch die dämmrige Diele. Es war dunkel hier drin. Aus dem Augenwinkel entdeckte er die Telefonstation, sie stand auf einem kleinen Tischchen. Das Telefon fehlte. Später. Erst mussten sie nach Mario schauen. Rechts ging die Tür zum Wohnzimmer ab. Sie stand offen.
Hinter ihm betrat Cesare die Diele. Plötzlich hörte er ein Geräusch, ein Knacken. Er sah sich nach Cesare um, der hatte es auch gehört und deutete mit dem Lauf der Pistole in Richtung Wohnzimmer, wo das Geräusch hergekommen war. Fabrizio drückte sich gegen die Wand und schob sich dann Zentimeter für Zentimeter am Türpfosten entlang nach vorn, sodass er ins Wohnzimmer spähen konnte. Ein Teppich bedeckte den Steinboden. Er sah einen Tisch ohne Tischdecke, einen Stuhl. Auf dem Tisch stand ein Teller, halb aufgegessene Pasta darauf. Jetzt erst bemerkte Fabrizio, dass es nach Essen roch. Er schob sich noch ein Stück nach vorn, sodass der Schaukelstuhl auf der rechten Seite des Raumes in sein Blickfeld geriet. Der Schaukelstuhl bewegte sich. Es war eine sachte, kaum merkliche Bewegung, aber eindeutig eine Bewegung. Fabrizio hielt den Atem an und presste sich mit dem Rücken an die Wand. Er signalisierte Cesare, dass da drinnen etwas war.
Als sie den Raum stürmten, bewegte sich der Schaukelstuhl immer noch sachte hin und her. Auf dem Stuhl saß eine Katze und leckte ihr Fell. Als sie die beiden Carabinieri bemerkte, hielt sie inne – das rechte Vorderbein verharrte in der Luft – und blickte sie aus grünen Augen erstaunt an. Ihr Fell musste ursprünglich weiß gewesen sein, aber das war kaum mehr zu erkennen. Es war getränkt mit Blut. Einen Moment dauerte es, bis Fabrizio klar wurde, dass das Blut nicht von der Katze stammen konnte.
Im Wald bei Lenzari,
Sonntag, 21. Februar 2010, 14:15 Uhr
Der Wetterumschwung kam rasend schnell. Plötzlich einsetzender Wind blies dichte Wolken über den Rücken des schlafenden Hundes. Sie jagten an seiner Flanke hinunter wie Krieger, die sich in die Schlacht stürzen, und verdunkelten die Sonne. Dämmerlicht herrschte im Wald. Gegen 14:30 Uhr begann es zu schneien.
»Lass uns umkehren, Anna.«
Aber Anna hatte sich in den Kopf gesetzt, bis zu dem alten verfallenen Haus zu gehen, dessen zerstörtes Dach sie viel weiter oben bereits bemerkt hatten, als der Weg noch breiter und weniger steil war.
»Wir müssen den ganzen Weg wieder zurück. Und du warst gerade erst krank.«
»Jetzt aber nicht mehr. Jetzt bin ich wieder gesund.« Anna trat auf einen Zweig. Das Knacken kam Marc überlaut vor. Ja, Anna war wieder gesund. Dafür lag Conny jetzt flach. Sie hatte Annas Magen-Darm-Infekt übernommen. Es ging ihr so schlecht, dass sie Marc gestern nicht vom Flughafen Nizza hatte abholen können. Er war also wieder Zug gefahren.
»Okay. Bis zum Haus.«
Der Schneefall wurde dichter. Sie stapften weiter. Der Weg war mittlerweile nicht mehr als ein Trampelpfad. Marc hoffte, dass er sie bis zum verfallenen Haus führen würde und nicht vorher im Nichts versandete. Obwohl ihm, seit er Kerstings Haus in Zehlendorf verlassen hatte, nichts dringlicher erschien als herauszufinden, was er über den Mann wusste, der am Tag des Oktoberfest-Attentats in einem schwarzen Fiat 128 in der Nähe der Theresienwiese gesehen worden war, war Marc noch nicht dazu gekommen, mit dem Marokkaner zu sprechen. Er hatte sich um Anna und die kranke Conny kümmern müssen. Um ihr die dringend benötigte Ruhe zu verschaffen, hatte er Anna zu diesem Spaziergang überredet. Das Wetter war schön gewesen und der Himmel über Lenzari strahlend blau, als sie vor einer halben Stunde gestartet
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