Tessa
ihr ist zu heiß. Ihr ist schwindlig. Sie sackt zusammen. Sitzt auf dem nassen Sisal. Plötzlich geht das Licht an. Ihr Herz fängt wild an zu hämmern. Erschrocken blickt sie auf. Das Licht blendet sie in den Augen. Sie ist unfähig, sich aus eigener Kraft aufzurichten. Der Schwarze steht im Eingang. Seine breite Silhouette zeichnet sich deutlich vor dem blauen Nachthimmel ab. Seine Schürze leuchtet weiß. Er kommt vorsichtig auf sie zu und reicht ihr die Hand. Er sagt kein Wort, und doch hört sie tausend unausgesprochene Versprechungen. Sie kann nicht einmal mehr ihren Arm heben. Sie starrt ihn an.
Er geht in die Knie, beugt sich zu ihr hinunter. »Ich bin Modou. Ich werde dich helfen. Mach dir keine Sorgen.«
Vorsichtig zieht er sie hoch. Leise stöhnt sie den Schmerz heraus. Die Flasche hält sie fest umkrallt. Er lehnt sie behutsam an die Tür und greift nach der Tasche und ihren Schuhen. Hörbar zieht er die Luft ein. Der Boden ist voller Blut, deutlich sieht man ihren Handabdruck. Tessa zittert. Sie nimmt einen Schluck aus der Whiskeyflasche. Sie senkt den Blick und sieht an sich herunter. Ihre nackten Beine sind verschmiert, blutig und schmutzig. Sie schließt die Augen. Und sackt langsam zur Seite. Er fängt sie, legt ihr seinen Arm um die Schulter. Hält sie. Stützt sie. Langsam öffnet er die Tür. Autos fahren an ihnen vorbei. Der Boden ist kalt und steinig. Sie öffnet die Augen, sieht sich um. Die Welt dreht sich weiter, als wäre nichts passiert.
Sie müssen ein Stück laufen, bis sie zu seinem Auto gelangen. Er lehnt sie vorsichtig dagegen. Sie kann sich an der Tür festhalten. Wankend steht sie da, kann sich kaum aufrecht halten. Der Alkohol tut seinen Job. Der Schmerz ist kaum noch zu spüren, doch kraftlos lässt sie sich auf den Bordstein sinken. Ein weiterer Schluck, heiß rinnt er ihre Kehle hinab. Sie liegt auf der Erde und spürt den kalten Asphalt an Armen und Beinen. Sie starrt in den Himmel. Eine klare Nacht. Sie kann ein paar Sterne erkennen. Modou kramt tief gebeugt in seinem Auto herum. Und als er plötzlich wieder vor ihr steht, ist sie erschrocken, weil sie ihn fast vergessen hätte. Vorsichtig hilft er ihr hoch. Er führt sie zur Beifahrerseite und schiebt sie sorgsam durch die Tür. Den Sitz hat er mit Zeitungspapier ausgelegt. Sie setzt sich auf französische Buchstaben. Und muss einen weiteren Schluck nehmen, weil sich der Schmerz beim Sitzen wieder verstärkt. Sie will nichts spüren. Noch einen Schluck. Das Auto ist aufgeräumt, aber ansonsten schäbig. Sie sieht aus dem Fenster. Der Beifahrerspiegel ist mit Tape festgeklebt. Modou startet den Motor. Er greift zum Handschuhfach, und als er ihr Knie berührt, zuckt sie zusammen. Modou murmelt eine Entschuldigung. Tessa versteht die Sprache nicht. Sie hat plötzlich Mitleid mit ihm. Sie hebt die Flasche und bietet ihm einen Schluck an. Er schüttelt den Kopf, greift nach der Schachtel Zigaretten aus dem Fach, bietet ihr eine an, und sie nimmt dankbar an. Den Kopf lehnt sie an die Kopfstütze. Lichter flackern an ihnen vorüber. Häuserreihen fliegen vorbei. Licht und Dunkelheit wechseln sich ab. Als sie vor der Charité halten, schließt sie die Augen, sie will da nicht rein. Modou öffnet die Beifahrertür. Er bückt sich, greift an ihr vorbei, nimmt die blutigen Schuhe und versucht sie ihr anzuziehen. Tessa streckt ihren nackten Fuß, um es ihm leichter zu machen. Sie will lachen, weil er so süß vor ihr aussieht. Ein Krächzen ertönt. Traurig starrt er auf ihre Füße. Sie verstummt abrupt, als sie den hell erleuchteten Krankenhauseingang erblickt. Modou hat ihre Hand genommen und hilft ihr aus dem Wagen, bis sie aufrecht steht. Sie schwankt erst einmal. »Ich mag da nicht alleine rein. Ich habe Angst.«
Im Krankenhaus wird Modou misstrauisch von den Schwestern gemustert. Tessa setzt einen trotzigen Blick auf. Sie hält die Flasche in der Hand. Ihre blutigen Beine glänzen im grellen Licht. Tessa dreht sich um. Sie sieht Modou verzweifelt an. »Ich möchte nach Hause. Bring mich hier weg.«
Eine Schwester kommt. »Hier wird nicht getrunken.« Während sie weitergeht, schüttelt die Schwester den Kopf.
Tessa dreht sich um, greift nach ihrem Arm. Die Schwester bleibt stehen. »Ich brauche Hilfe.«
Eine kurze Regung im Gesicht der Krankenschwester. Wie ein Flackern, aber einen Moment später ist ihr Gesicht wieder hart. Tessas Haaransatz ist blutverkrustet. Ihre Nase angeschwollen.
»Sind Sie ihr Freund?«,
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