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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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vernehmlich, ihr Ton unwirsch. »Nein, Lee. Ich möchte nur nach Hause, etwas Trockenes anziehen und für mich sein.«

    Lee steht auf, geht nach hinten zum Kofferraum, öffnet ihn und fischt etwas heraus. Eine Sporttasche.
    »Hier sind ein paar Klamotten. T-Shirt. Jogginghose. Trocken und warm. Und ohne Kotze drauf.«
    Merrin bedankt sich, steigt in die windige, nasse Gewitternacht hinaus und legt sich Terrys Sakko über die Schultern. Sie greift nach der Tasche, aber Lee lässt sie nicht gleich los.
    »Du musstest es doch tun! Es war verrückt zu denken, du könntest - ihr könntet …«
    »Ich möchte mich nur umziehen, ja?«
    Sie entwindet ihm die Sporttasche, dreht sich um und geht davon. Während sie durch das grelle Scheinwerferlicht schreitet, umspielt ihr Rock die Beine, und ihre Bluse wird für einen Moment fast durchsichtig. Terry ertappt sich dabei, wie er sie anstarrt, und zwingt sich, den Blick abzuwenden. Dabei bemerkt er, dass Lee ebenso gebannt ist. Zum ersten Mal fragt er sich, ob der gute alte Lee Tourneau sich nicht ein wenig in Merrin Williams verguckt hat. Noch einen kurzen Moment schreitet sie durch den Tunnel aus Licht, den die Scheinwerfer aus der Dunkelheit herausschneiden, dann verlässt sie den Schotterweg und verschwindet in der Finsternis. Es ist das letzte Mal, dass Terry sie lebend sieht.
    Lee steht neben der offenen Beifahrertür und starrt ihr hinterher, als würde er überlegen, ob er wieder in den Wagen steigen soll oder nicht. Terry möchte ihm sagen, er soll sich hinsetzen, allerdings kann er weder den Willen noch die Energie dazu aufbringen. Er starrt ihr ebenfalls eine Weile nach, aber irgendetwas ist ihm nicht geheuer. Die Nacht scheint zu atmen, schwillt an und zieht sich wieder zusammen. Die Scheinwerfer sind auf das offene Feld unterhalb der Gießerei gerichtet, und das nasse Gras peitscht unablässig die Dunkelheit, eine verstörende und irgendwie abstoßende
Bewegung. Er hört das Geräusch der Halme durch die offene Wagentür - ein Zischen wie von einer Schlange im Zoo. Noch immer hat er das Gefühl, zur Seite wegzugleiten, irgendwohin, wo er nicht sein möchte. Das schmerzhafte Pochen in der rechten Schläfe gibt ihm den Rest. Er hebt die Beine auf den Sitz und streckt sich aus.
    Schon besser. Das braun gefleckte Polster bewegt sich ebenfalls, wie ein Sahnehäubchen, das in einer Tasse Kaffee träge hin und her schwappt. Aber das ist okay, wenn man breit ist, sogar ein gutes Zeichen. Kein nasses Gras, das ekstatisch durch die Nacht wogt.
    Er braucht etwas, worüber er nachdenken kann, einen beruhigenden Gedanken, der das flaue Gefühl im Kopf vertreibt. Sein Produktionsteam kümmert sich gerade um die Gäste für die nächste Staffel, die übliche Mischung aus Newcomern und alten Hasen, schwarz und weiß, Mos Def und Def Leppard, die Eels und die Crowes - die üblichen Wundertiere aus dem Zoo der Popkultur. Wirklich begeistert ist Terry jedoch darüber, dass Keith Richards, der vor ein paar Monaten zusammen mit Johnny Depp im Viper Room aufgetaucht ist, ihm erklärt hat, die Show sei Zucker, und er finde es scheißtoll, darin aufzutreten, jederzeit, aber klar doch, Mann, jetzt frag mich schon - warum eigentlich nicht schon früher? Das wäre wirklich der Hammer, wenn Richards sein Versprechen wahrmachen würde, dann könnten sie ihm die ganze letzte halbe Stunde widmen. Die Manager bei Fox kriegen immer die Krise, wenn Terry das gewohnte Konzept über Bord wirft und die Show in ein Konzert verwandelt - ihm wurde wiederholt erklärt, dass dann jedes Mal eine halbe Million Zuschauer zu Letterman überlaufen. Aber Scheiße, die können Keith Richards mal die dicken haarigen Eiern lecken.

    Nach einer Weile driftet er weg. Er steht zusammen mit Richards auf der Bühne vor vielleicht achtzigtausend Leuten, die sich, warum auch immer, vor der alten Gießerei versammelt haben. Sie spielen »Sympathy for the Devil«, und Terry übernimmt den Leadgesang, weil Mick gerade in London ist. Er schwebt auf das Mikrofon zu und singt zum Kreischen der ekstatischen Masse: Please allow me to introduce myself: I’m a man of wealth and taste . Dann greift Keith in die Saiten seiner Telecaster und spielt einen teuflischen Blues. Sein abgefahrenes dreckiges Gitarrensolo ist ein irrwitziges Wiegenlied, zu dem Terry Perrish in einen unruhigen Schlaf gleitet.
     
    Einmal wacht er ganz kurz auf. Sie sind wieder auf der Straße, und der Caddy rauscht durch einen schmalen Streifen Nacht, Lee

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