Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
Vom Netzwerk:
krallenbewehrter Schneefalke in einem eisigen Hort. Jerusha hüllte sich unbewußt enger in ihren Mantel. »Kälter als die Karoo«, murmelte Gundhalinu, der sich die Arme rieb. Der Ältere Wayaways bedeutete ihnen, an der Stelle zu warten, dann ging er allein weiter, um ihre Ankunft zu vermelden. Jerusha war aber felsenfest davon überzeugt, daß die dunklen Augen unter der Krone bleichen Haares sich dieser Tatsache bereits sehr deutlich bewußt waren, auch wenn Arienrhod sie scheinbar nicht beachtete und zum anderen Ende der Halle blickte. Wie üblich hatte Jerusha ihre Aufmerksamkeit zunächst auf Arienrhod konzentriert, doch nun, dem Blick der Königin folgend, wurde sie von einem gleißenden Achtfinger, dem Summen eines Energiestrahls, abgelenkt.
    »Schact!«
zischte Gundhalinu, während ringsumher Stimmen laut wurden und mehrere Adlige auseinanderstoben, als einer von ihnen, vom Strahl getroffen, zu Boden sank. »Ein Duell ...?« Seine Stimme klang ungläubig. Jerushas Hand umklammerte das Imperiumskreuz am Gürtel, plötzlich konnte sie ihrer Wut kaum mehr Herr werden. Verspottete die Königin die Polizeiautorität sogar bis zu dem Ausmaß, in ihrer Gegenwart den Mord zu dulden? Sie öffnete den Mund, um zu fragen, zu protestieren – aber bevor sie Worte finden konnte, rollte das Opfer vornüber und setzte sich auf, weder verletzt, noch sonstwie zu Schaden gekommen, und kein Blut verunstaltete die schneeweiße Reinheit des Teppichs. Wie Jerusha sah, handelte es sich um eine Frau, die Üppigkeit der Kleidung der Adligen erschwerte eine Unterscheidung auf den ersten Blick mitunter. Die Luft um sie herum flimmerte etwas, wenn sie sich bewegte, also trug sie ein Abwehrfeld. Mit einer demütigen Verbeugung zur Königin erhob sie sich graziös, während der Rest der Anwesenden lachend applaudierte. Gundhalinu fluchte erneut, doch diesmal leiser und voller Abscheu. Als die Adligen sich verteilten, konnte Jerusha den Schwarzgekleideten mit der silberglänzenden Waffe sehen. Sie erkannte, daß Starbuck die Rolle des Mörders gespielt hatte.
    Ihr Götter! Was waren das für heruntergekommene Halbwilde, die einander aus reinem Vergnügen niederstreckten. Sie handhabten eine tödliche Vernichtungswaffe wie ein Spielzeug, sie verstanden nicht mehr von der Funktion oder Bedeutung einer Technologie als ein dummes Haustier den Sinn eines Halsbands. Ja
– aber wessen Schuld ist das, wenn nicht unsere?
Plötzlich merkte sie, daß Arienrhod sie betrachtete. Die seltsam gefärbten Augen blieben weiter auf ihr ruhen. Die Königin lächelte.
Wer sagt denn, daß das Haustier den Sinn eines Halsbands nicht erkennt?
Jerusha hielt dem Blick störrisch stand.
Oder daß der Wilde, die Lüge nicht durchschaut, die ihn zu weniger als einem Menschen macht?
    Der Älteste Wayaways hatte ihre Ankunft gemeldet und katzbuckelte sich von der Königin weg, während Starbuck rechts neben ihren Thron trat. Sein unter einer Widdermaske verborgenes Gesicht wandte sich ihnen ebenfalls zu, als wollte er den Effekt seines kleinen Schauspiels studieren.
Im Grunde unseres Herzens sind wir alle Wilde.
    »Sie dürfen nähertreten, Inspektor PalaThion.« Die Königin hob huldvoll eine Hand.
    Jerusha nahm den Helm ab und trat vor, Gundhalinu folgte dichtauf. Sie war sicher, daß sowohl ihr, wie auch sein Gesicht, nur das absolut notwendige Minimum an Respekt ausdrückten. Die Adligen hatten sich an den Seiten aufgestellt und posierten dort, wie man das auf jedem simplen Händlerholo sehen konnte. Sie vollzogen mit blasiertem Desinteresse ihre vorgeschriebene Begrüßung. Jerusha fragte sich, weshalb sie es nur so amüsant finden mochten, mit dem Tod zu spielen. Es handelte sich ausnahmslos um Favoriten mit jugendlichen Gesichtern – und die Götter allein wußten, wie alt sie wirklich waren. Sie hatte immer wieder das Gerücht gehört, daß jene, die das Wasser des Lebens benutzten, immer stärker den pathologischen Wunsch entwickelten, ihre verlängerte Jugend zu bewahren. Konnte es sein, daß wirklich einmal die Zeit kam, wo man alles erfahren hatte, was man sich nur wünschte? Nein, noch nicht einmal nach eineinhalb Jahrhunderten. Oder konnten sie ganz einfach nicht begreifen, daß Starbuck sie nicht vor der Gefahr gewarnt hatte?
    »Eure Majestät ...« Sie sah flüchtig zu Starbuck hin, dann kehrte ihr Blick zurück zu Arienrhod, die auf ihrem Thron saß. Das sanfte, jugendliche Gesicht wurde durch den spöttischen Blick der weisen Augen ebenfalls zu

Weitere Kostenlose Bücher