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Titan 09

Titan 09

Titel: Titan 09 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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unmöglich«, sagte Webster. »Ich bezweifle auf jeden Fall, daß meine Anwesenheit nötig ist. Sicher könnten Sie selbst…«
    »Ich kann es nicht«, sagte Clayborne. »Keiner kann es außer Ihnen. Kein anderer hat die Kenntnisse. Juwains Leben liegt in Ihren Händen. Wenn Sie kommen, lebt er. Wenn Sie nicht kommen, stirbt er.«
    »Ich kann nicht in den Weltraum«, sagte Webster.
    »Jeder kann in den Weltraum«, stieß Clayborne hervor. »Es ist nicht mehr wie früher einmal. Jede gewünschte Konditionierung ist möglich.«
    »Aber Sie verstehen nicht«, bat Webster. »Sie…«
    »Nein, ich verstehe nicht«, sagte Clayborne. »Um ganz offen zu sein, ich verstehe es nicht, wenn jemand es ablehnt, das Leben seines Freundes zu retten…«
    Die beiden Männer starrten sich einen langen Augenblick an, keiner von beiden sagte etwas.
    »Ich werde dem Komitee sagen, es soll das Schiff direkt zu Ihrem Haus schicken«, sagte Clayborne schließlich. »Ich hoffe, bis dahin werden Sie bereit sein, zu kommen.«
    Clayborne verschwand, und die Wand wurde wieder sichtbar – die Wand und die Bücher, die Gemälde und der Kamin, die hochgeschätzten Möbel, die Verheißung des Frühlings, der durchs offene Fenster kam.
    Webster saß erstarrt in seinem Sessel und starrte auf die gegenüberliegende Wand.
    Juwain, das fellbewachsene, runzlige Gesicht, das zischende Flüstern, die Freundlichkeit und das Verständnis, die ihm eigen waren. Juwain – wie er nach dem Stoff griff, aus dem die Träume sind, und ihn formte: zu Logik, zu Lebens- und Verhaltensregeln. Juwain – wie er die Philosophie als Werkzeug benutzte, als Wissenschaft, als Stufen zu einem besseren Leben.
    Webster ließ sein Gesicht in die Hände sinken und kämpfte gegen den furchtbaren Schmerz an, der in ihm aufstieg.
    Clayborne hatte es nicht verstanden. Man konnte nicht erwarten, daß er es verstand, denn wie sollte er es wissen? Und selbst, wenn er es wüßte, würde er es dann verstehen? Auch er selbst, Webster, hätte es bei einem anderen nicht verstanden, bevor er es bei sich selbst entdeckt hatte: die schreckliche Angst davor, den eigenen Kamin, das eigene Land, die eigenen Besitztümer und die kleinen selbsterrichteten Symbole zu verlassen. Und nicht nur er selbst, sondern ebenso alle anderen Websters. Angefangen mit dem ersten John J. hatten Männer und Frauen einen Kult des Lebens, eine Tradition der Verhaltensweisen aufgebaut.
    Er, Jerome A. Webster, war als junger Mann zum Mars gegangen und hatte das psychologische Gift, das durch seine Adern floß, nicht gefühlt und auch nicht vermutet. Selbst nicht, als Thomas vor einigen Monaten zum Mars ging. Aber ein dreißig Jahre währendes beschauliches Leben in dem Zufluchtsort, den die Webster ein Zuhause nannten, hatte es entwickelt, ohne daß er selbst es überhaupt bemerkt hatte. Tatsächlich hatte es gar keine Gelegenheit dazu gegeben.
    Es war offensichtlich, wie es sich entwickelt hatte – jetzt war es glasklar. Gewohnheit und Denkmuster und die Gleichsetzung von Glück mit bestimmten Dingen – Dinge, die selbst keinen tatsächlichen Wert darstellten, denen aber ein Wert beigemessen wurde; denen eine Familie durch fünf Generationen hindurch einen definitiven, konkreten Wert zugeschrieben hatte.
    Kein Wunder, daß andere Orte fremdartig erschienen; kein Wunder, daß anderen Horizonten die Andeutung von Schrecken innewohnte.
    Und es gab nichts, was er dagegen tun konnte – nichts; das heißt: außer man fällte jeden Baum, brannte das Haus nieder und änderte den Lauf der Bäche und Flüsse. Selbst das mochte nicht ausreichen – selbst das…
    Der Televisor surrte, Webster hob den Kopf aus seinen Händen, streckte die Hand aus und betätigte den Kippschalter. Ein weißlicher Farbton erschien, aber es tauchte kein Bild auf. Eine Stimme sagte: »Geheimer Anruf. Geheimer Anruf.«
    Webster schob eine Konsole des Apparats zurück, drehte einige Scheiben, hörte das Summen der Energie, die einen Schirm errichtete, durch den das Zimmer nach außen blockiert wurde.
    »Geheimschaltung steht«, sagte er.
    Das weiße Schimmern verschwand schlagartig, und ein Mann saß ihm gegenüber am Schreibtisch. Ein Mann, den er vorher viele Male in Televisor-Übertragungen und in den Tageszeitungen gesehen hatte.
    Henderson, Präsident des Welt-Komitees.
    »Ich habe einen Anruf von Clayborne erhalten«, sagte Henderson.
    Webster nickte wortlos.
    »Er sagte mir, Sie lehnten es ab, zum Mars zu gehen.«
    »Ich habe es nicht

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