Tod am Laacher See
Herzinfarkt wegen
zu großer Freude konnte er sich fast alles vorstellen. Vielleicht wäre es am
besten, wenn Ulli zuerst mit ihr sprach. Er würde es auf jeden Fall nicht tun.
Da war er sich sicher.
»Morgen früh ist das alles wie weggeblasen«, sagte er stattdessen.
»Das Geheimnis ist der Schlaf. Mach’s gut, Mutter. Und denk dran: Parole
›Cholera‹. Kein Tag weniger. Sonst kommen wir nicht zur Beerdigung.«
Sie lächelte. »Spinner! Nicht zu meiner Beerdigung? Das würdest du
nicht fertigbringen. Ich kenn doch meinen Sohn. Also pass auf dich auf und
schnapp die Mörder, bevor dieser Drowitsch es tut.«
»Mein Freund Sven heißt Trobisch, Mutter, Tro-bisch, mit T und B.«
»So genau muss ich das nicht wissen. Fahr vorsichtig.«
Wärmland atmete auf, als er in seinem Wagen saß. Mütter konnten
anstrengend sein. Ältere Mütter noch mehr. Er beugte sich zur Windschutzscheibe
vor und winkte. Seine Mutter kam üblicherweise zu einem Abschiedsgruß ans
Fenster. So auch heute. Dann fuhr er ein Stück bis zum Ende der Straße und
hielt noch einmal an. Er musste seine Eindrücke vom Tag Revue passieren lassen.
Er dachte an den fehlgeschlagenen Einsatz, der ihnen statt der Ergreifung eines
potenziellen Mehrfachmörders nur einen verletzten Kollegen beschert hatte.
Ausgerechnet seinen Freund Sven. Inzwischen hatte sich der Verdächtige sicher
längst abgesetzt und war ins Ausland geflohen. Das war ein schwarzer Tag in
ihrer Ermittlungsbiografie. Und die Aussichten auf eine Lösung des Falles
tendierten mehr denn je gen null. Dann sah Wärmland den Abend vor sich und
seinen ungeliebten Bruder in seiner Wohnung. Die Lust auf die Heimfahrt fiel ab
auf extreme Niedrigwerte. Dann fiel ihm etwas ein. Moselweiß lag zu Füßen des
letzten Hunsrückplateaus, dem man den Namen »Karthause« gegeben hatte. Sie
wohnte dort, und sie hatte ihn ermuntert, ihr einmal einen Besuch abzustatten.
Was für eine ungleich schönere Idee das doch war! Er griff nach seinem Handy und
wählte ihre Nummer.
***
Es war eine dieser typischen Straßen mit kleinen und mittleren
Einfamilienhäusern, wie sie in dem Bauboom der neunziger Jahre an vielen
Stadträndern entstanden waren. Hübsche Häuser mit kleinen Vorgärten, angebauten
Garagen und ausgebauten Dachgeschossen. Die Grundstücke maßen sicher kaum über
fünfhundert Quadratmeter, die enormen Grundstückspreise hatten da Grenzen
gesetzt.
Das Haus von Ariane Althoven fiel Wärmland durch die Klinker auf,
die ihm wegen der gut aufeinander abgestimmten Farbtöne gefielen. Als er
ausstieg, fragte er sich, wie viele Blicke er wohl gerade auf sich zog, falls
die Nachbarn hier intensiv am Leben des jeweils anderen teilnahmen. Wie lange
war ihr Mann jetzt schon fort? War es zu früh für den ersten Männerbesuch? Was
würde man tuscheln, und konnte ihr das irgendwie schaden? Wärmland gemahnte
sich, ihr zu vertrauen. Sicher wusste sie, was sie in ihrem Umfeld tun und
lassen konnte. Außerdem war er hier auf der Karthause in Koblenz und nicht in
einem Zweihundert-Seelen-Dorf mitten in der Eifel.
Noch bevor er den Klingelknopf drücken konnte, öffnete sie die Tür
und warf ihm ein »Hallo, da sind Sie ja« entgegen, das durch ein liebes Lächeln
sehr aufgewertet wurde.
Sie bat ihn herein und führte ihn durch eine kleine Halle, in der
rechts eine hübsche Holztreppe ins Obergeschoss führte. Durch eine rustikale
Tür mit Glasfenster gelangten sie in den eigentlichen Wohnraum. Vor sich sah
Wärmland einen Wintergarten, in dessen Mitte drei Stühle um einen kleinen Tisch
gruppiert waren. Sowohl die Tischdecke als auch die Stuhlkissen waren aus
provenzalischem Stoff genäht. Wärmland kannte diese charakteristischen Farben
und Muster. Alles war farblich gut aufeinander abgestimmt. Terrakottafliesen
ergänzten den angenehm warmen Gesamteindruck des Ensembles. Links in der Ecke
baumelte ein Stoffsitz, der von einem kräftigen Seil gehalten wurde, das von
einem der Dachbalken des Wintergartens herabhing. Wärmland konnte sich
vorstellen, dass der schwebende Sitz einen angenehmen Rückzugsort fürs Lesen
hergab. Pflanzenarrangements im Wintergarten, einige schöne Weichholzmöbel und
geschmackvolle Bilder an den Wänden des Raumes rundeten seinen Eindruck ab,
dass hier jemand wohnte, der ein Händchen für geschmackvolles Einrichten besaß.
Intuitiv sprach Wärmland Ariane Althoven diese Fähigkeit zu und nicht ihrem
verloren gegangenen Ehemann.
»Sie haben ein schönes Zuhause«, sagte er,
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