Tod auf Cabrera - Mallorca-Krimi
seinen Kollegen gewesen war, zeigte
sich auch daran, dass alle acht Kolleginnen und Kollegen, die die Totenwache
stellten, Tränen in den Augen hatten. Neben dem Sarg lächelte Toni von einem
großen Bild noch ein letztes Mal in die Menge. Es war ein unbeschwertes,
entwaffnendes Lächeln.
Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt. Wer keinen
Sitzplatz gefunden hatte, der musste mit einem der vielen Stehplätze in den
Nebenschiffen vorliebnehmen. Alle beobachteten natürlich die junge Witwe, die
in der ersten Reihe neben ihrer Familie Platz genommen hatte. Sie wusste um
diese Blicke, die sie die ganze Messe über begleiten würden. Doch sie hatte
nichts zu verbergen, schon gar nicht ihre Trauer. Daher verzichtete sie auf
einen Schleier und auf jeglichen Schmuck. Ihr schwarzes, schlichtes Kleid und
ihre natürliche Schönheit waren Schmuck genug. García Vidal hatte mit Absicht
einen Stehplatz gewählt, um einen besseren Überblick zu haben. Ihn wunderte,
dass mehrere tief verschleierte Frauen in der Kirche waren, aber auch nur
Stehplätze gewählt hatten. Ein schwarzer Schleier stand eigentlich nur der Ehefrau
zu, vielleicht auch noch der Mutter oder der Schwester, aber die saßen alle
zusammen, ganz vorn beim Sarg in der ersten Reihe. Dort war niemand
verschleiert.
Bischof Crasaghi hielt eine sicherlich sehr ergreifende Predigt,
aber sie interessierte den Comisario nicht. Ihn beunruhigten die verschleierten
Damen zu sehr, als dass er sich auf irgendwelche salbungsvollen Worte hätte
konzentrieren können. Eine der Damen stand links vom Altar, eine andere rechts
davon. García Vidal suchte das Kircheninnere mit den Augen ab. Jetzt war er
sich sicher, dass etwas nicht stimmte. Diese verschleierten Trauergäste standen
nämlich strategisch genau so, wie er sie postiert hätte, um das Kircheninnere
zu kontrollieren. Er zählte sieben.
García Vidal beugte sich zu Angela rüber und flüsterte: »Siehst du
die schwarzen Witwen am Altar und in den Kreuzgängen?«
Angela schaute in die angegebenen Richtungen. »Das ist, denke ich
mal, etwas übertrieben, meinst du nicht auch?«
»Aber hallo. Das sind auch keine Kleider, was die anhaben, sondern
fast schon Burkas, unter denen man einiges verstecken könnte.«
»Denkst du an Waffen und gehst im Geiste schon einmal den Notfall
durch?«
Er musste lächeln. Seine Angela kannte ihn schon recht gut. »Im Prinzip
schon, aber die, die ich alarmieren würde, sind alle hier, in zu engen
Uniformen, als dass man darunter Waffen verstecken könnte.« Er schaute sich
aufmerksam um. »Ich werde mich mal einer dieser schwarzen Witwen nähern.
Vielleicht kann ich etwas herausbekommen.«
García Vidal suchte sich eine Dame aus, die von vielen Menschen
möglichst eng umringt war. Es dauerte eine Weile, bis er sich an das Zielobjekt
herangearbeitet hatte. Als er direkt neben ihr stand, stellte er sich kurz so
auf die Zehenspitzen, dass jeder in der Nähe denken musste, er würde lediglich
versuchen, einen Blick auf den noch immer redenden Bischof zu erhaschen. Dabei
ging er mit der Verschleierten auf Tuchfühlung. Ein Schreck durchzuckte ihn.
Was er da an seinem Bein spürte, war eindeutig eine Art Gewehr oder
automatische Waffe. Jedenfalls fühlte es sich, mit der Hüfte ertastet, so an –
und es hatte vor allem auch die richtige Größe. García Vidal entschuldigte sich
in aller Form. » Perdón , Señora.«
Er schlich sich zu Angela zurück.
»Bingo. Wer immer das auch sein mag, diese Person ist bewaffnet.
Noch scheint hinter uns aber alles ruhig zu sein. Siehst du die kleine Tür
zwischen den beiden Säulen?«
Angela schaute sich unauffällig um. »Ja.«
»Das ist der Umkleideraum der Ministranten. Der hat einen separaten
Ausgang. Schnapp dir die Gräfin und verlass umgehend mit ihr die Kirche. Ich
befürchte das Schlimmste. Alarmiere Carmen, die wird wissen, was zu tun ist.«
Angela wollte erst widersprechen, doch dann folgte sie den
Anweisungen klaglos.
Gräfin Rosa hatte zu ihrem Glück einen Sitzplatz ganz außen in der
Bank ergattern können, sodass Angela kein Problem hatte, sich an sie
heranzuarbeiten. »Rosa, Alarmstufe knallrot«, flüsterte sie ihr zu. »Bitte
folgen Sie mir umgehend.«
Rosa erkannte an Angelas Stimme, dass das kein Spaß sein konnte. Sie
erhob sich so unauffällig wie möglich und wand sich geräuschlos aus der Enge
der Kirchenbank. »Wohin geht’s?«
»Erst einmal raus. Draußen erkläre ich Ihnen alles. Außerdem ist
Ihnen schlecht,
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