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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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blieb ein paar
     Schritte vor ihnen stehen. Athelstan fand, daß er wie eine
     Erscheinung aus der Hölle aussah, Gesicht und Hände mit Lumpen
     umwickelt, die dunkle Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Nebelschleier
     wehten vom Fluß herauf.
    »Das sind die Phantome«,
     flüsterte Cranston. »Krüppel, Bettler, Aussätzige.
     Sie arbeiten für den Menschenfischer, ziehen Leichen aus der Themse,
     Mordopfer, Selbstmörder, Verunglückte, Betrunkene. Lebt mal
     einer noch, so bekommen sie zwei Pence, für Ermordete gibt es drei.
     Selbstmörder und Verunglückte bringen nur einen Penny.«
    »Ihr wollt zum
     Menschenfischer?« krächzte der Aussätzige.
    »So ist es, mein hübscher
     Junge!« rief Cranston. Er nahm einen Penny aus der Tasche und
     schnippte ihn dem Mann zu; trotz seiner Behinderung fing der Mann ihn
     geschickt mit einer Hand.
    »Sag dem
     Menschenfischer, der alte John Cranston möchte ein Wörtchen mit
     ihm reden.« Er deutete die Gasse hinunter. »Ich erwarte ihn in
     der Bierschenke dort unten.«
    »Und um was geht es?«
    »Um God’s Bright
     Light. Er wird Bescheid wissen«, fügte Cranston, zu Athelstan
     gewandt, hinzu. »Nichts geschieht hier am Flußufer, ohne daß
     der Menschenfischer davon weiß.«
    Der Aussätzige
     verschwand. Cranston führte Athelstan durch die Gasse zu einem
     kleinen, muffigen Wirtshaus, das nur ein einziges Fenster hatte, hoch oben
     in der Wand. Drinnen war es dunkel und feucht; rauchende Talgkerzen und
     stinkende Öllampen spendeten trübes Licht, aber das Bier war
     schwer und schäumend, die Humpen waren sauber, die Tische und Stühle
     ordentlich abgewischt.   
    »Du kennst doch den
     Menschenfischer?« fragte Cranston.
    »Ja, Ihr habt uns vor
     ein paar Monaten miteinander bekanntgemacht«, sagte Athelstan.
    Cranston steckte die Nase in
     seinen Humpen, ohne die Tür aus dem Auge zu lassen.
    »Da kommt er.«
    Die Tür füllte sich
     mit geduckten Gestalten, verhüllt und vermummt wie der Mann, den sie
     auf dem Kai getroffen hatten. Der Schankwirt winkte sie beunruhigt zurück,
     aber sie blieben geduckt auf der Schwelle stehen und starrten in die
     Schenke wie ein Schwarm Gespenster, die ins Land der Lebenden hinüberspähen.
     Ihr Anführer, der Menschenfischer, trat aus ihrer Mitte hervor, kam
     lautlos auf den Coroner und Athelstan zu und setzte sich, ohne eine
     Einladung abzuwarten, zu ihnen auf einen Schemel. Er schlug die Kapuze zurück,
     unter der ein Gesicht so starr wie eine Totenmaske zum Vorschein kam -
     alabasterweiß, mit dicken Lippen, stumpfer Nase und stechenden
     schwarzen Augen. Rotes, fettiges Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Mit
     einem seiner langgliedrigen Finger deutete er auf Cranston.
    »Ihr seid Sir John
     Cranston, Coroner der Stadt London.« Der Finger bewegte sich.
     »Und Ihr seid Athelstan, sein Sekretär oder Schreiber,
     Gemeindepfarrer von St. Erconwald in Southwark. Sir John, Lady Maude war
     heute einkaufen. Bruder Athelstan, Euer Flüchtling ist wohlauf; er
     hilft Euren Pfarrkindern, die Bühne für das Mysterienspiel
     herzurichten.«
    Athelstan lächelte, als
     er hörte, wie der Menschenfischer sich mit seinem Wissen brüstete. 
    »Aber wir sind nicht
     hier, um Klatschgeschichten auszutauschen«, fuhr der Menschenfischer
     fort. Wieder hob er den Zeigefinger. »Vor drei Tagen ging das Schiff
     mit dem unangemessenen Namen God’s Bright Light vor Queen’s
     Hithe vor Anker. Der Leichnam des Kapitäns wurde an Land gebracht.
     Seine Seele ist vor Gottes Richterstuhl gefahren…« Er sprach
     nicht weiter.      
    »Was weißt du
     sonst noch?« fragte Cranston.
    Der Mann spreizte die Hände
     und deutete mit dem Kopf auf die Gestalten an der Tür.
    »Sir John, zeigt Euch
     barmherzig; ich habe Brüder zu ernähren.«
    Cranston schob ein Silberstück
     über den Tisch. Der Menschenfischer nahm es auf.
    »Ihr erweist mir eine
     große Ehre, Sir John. Das Schiff ging vor Anker, und am Abend gingen
     die Matrosen zu ihren Dirnen an Land. Ich weiß es, denn ich hatte
     eine von ihnen. Frisch und sauber war sie. Schwarze Locken, fröhliche
     Augen, tatkräftig und lebhaft wie ein junges Hündchen in meinem
     Bett.«
    Athelstan hatte Mühe, kühle
     Miene zu bewahren, als er sich vorstellte, wie diese seltsame Gestalt sich
     mit einer jungen Hure im Bett vergnügte.
    »Gut, gut«,
     unterbrach Sir John hastig. »Und?«
    »Drei Mann blieben an
     Bord, einer am Bug, einer am Heck, der Maat in der Mitte. Das

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