Tod in Garmisch
unten irgendwas Wichtiges?«, fragte sie.
»Nein. Nur Herr Kant hatte was, das soll ich
ausrichten. Er wollte Danke sagen wegen dem Schrank. Also, weil du nicht
reingeguckt hast. Sagt er.«
Magdalena sank auf ihrem Stuhl zusammen.
Woher wusste er das? Wie konnte er wissen, dass sie da
gewesen war, dass sie vor seinem Schrank gestanden hatte? Und dass sie ihn nicht aufgemacht hatte? Es war entwürdigend. Sie wünschte sich, den Schrank doch aufgemacht zu haben. Vielleicht wäre ja irgendwas darin zu entdecken gewesen,
für das sich diese Demütigung gelohnt hätte.
Sie kaute auf dem Mundvoll in Kaffee eingeweichtem
Croissant herum und hätte am liebsten gekotzt.
»Du hast gefragt«, sagte Andi.
Sein Handy klingelte, und er zog es mit einem
unsicheren Blick auf sie aus der Tasche. Er meldete sich, hörte kurz zu, dann
fuhr sein Blick zu Magdalena, und alles, was sie darin las war: Alarm.
»Nein«, sagte er, »ich werd es ausrichten«, dann
klappte er das Handy zusammen und wich ihrem Blick aus.
»Was ist los?«, fragte Magdalena.
»Deine Mutter. Sie hat angerufen. Unten.« Er griff
nach der Thermoskanne und rückte sie zurecht.
»Jetzt sag schon!«, fauchte sie, und er sah ihr wieder
auf diese neue Art in die Augen, dass sie entschuldigend die Hand hob und
fragte: »Was ist los?«
»Euer Hias«, sagte Andi. »Er war da im Krankenhaus.
Bei der Frau. Der alten. Der andern.«
»Grundgütiger«, entfuhr es ihr. »Was ist passiert?«
»Ich weiß es nicht. Sie haben die Polizei gerufen.«
* * *
Es war schon eine bemerkenswerte Kombination, die
Schwemmer im Krankenhaus vorfand: eine gemeingefährlich keifende Mirl
Schedlbauer, eine hysterische Krankenschwester, zwei ratlose Streifenbeamte,
von denen einer einen Ohrring trug, eine resignierte Lenerl, eine weinende
Reserl, ein schweigender Maiche Meixner und kein Hias.
»Wenigstens der Bichlmeier ist nicht da«, murmelte er.
»Der ist auf dem Weg«, sagte der Streifenbeamte ohne
Ohrring.
Es dauerte eine Weile, bis Schwemmer ein einigermaßen
einleuchtendes Bild der Vorgänge zusammenhatte.
Der Rossmeisl Hias war beim Meixner Maiche im Zimmer
gewesen. Laut Reserl hatte er kein Wort gesagt, sondern den Maiche nur
angeschaut, worauf der genickt hatte. Kurze Zeit später war er unangemeldet und
ohne anzuklopfen in Mirl Schedlbauers Zimmer aufgetaucht, während dieser gerade
von einer Krankenschwester »sanitärmäßig geholfen wurde«, wie der uniformierte
Kollege sich etwas umständlich ausdrückte.
Statt auf die überaus heftigen Proteste der beiden
beteiligten Damen hin das Zimmer wieder zu verlassen, war er ans Bett getreten
und hatte mit der flachen Hand an seinem Hals eine Geste des
Kehledurchschneidens gemacht.
Mirl behauptete, er hätte gedroht, ihr den Garaus zu
machen, sobald er sie alleine erwische. Und er hätte eine Pistole im Hosenbund
getragen. Die Krankenschwester hatte sein Oberbayrisch zwar nicht verstanden
(sie stammte aus Husum), aber dass er Mirl ernsthaft gedroht hatte, bezweifelte
sie nicht. Eine Pistole hatte sie allerdings nicht gesehen.
Hias hatte dann das Zimmer wieder verlassen wollen,
traf aber in der Zimmertür auf den rastagelockten Zivi, der, durch das Geschrei
der Damen alarmiert, zu Hilfe eilen wollte. Er hatte versucht, die Situation
verbal zu deeskalieren, was keine gute Idee gewesen war, da der Zivi aus
Aschaffenburg kam und damit dialektal vom Hias ungefähr so weit entfernt war wie
die Schwester aus Husum. Es endete unschön, nämlich mit einem Wirkungstreffer,
den Hias auf der Leber des Zivi platzierte und der diesen auf die Fliesen des
Krankenhausbodens schickte, die ihm zudem noch eine schmerzhafte Prellung des
linken Ellbogens zufügten.
Dann war der Hias verschwunden.
»Er war wohl sauer wegen irgendwas«, sagte der Kollege
mit dem Ohrring.
»Da könntens schon recht haben.« Schwemmer sah sich
auf dem Gang um. »Sehens dahinten die Stühl? Holens einen davon ran und setzens
sich da her. Gleich vor die Tür, dass die Frau Schedlbauer Sie sehen kann, wenn
die Tür aufgeht. Ich lass Sie rechtzeitig ablösen. Und wenn ich’s vergessen
sollt … rufens halt auf der Wache an.«
Der Kollege schaute einigermaßen ungläubig, aber er
tat, was Schwemmer ihm gesagt hatte.
Schwemmer klopfte an die Tür. Mirl Schedlbauer
brüllte: »Kimm eini«, und er öffnete.
Sie drückte sich mühsam auf den Ellbogen hoch. »I
hab’s Eana direkt gsagt! De Meixner-Bande wuil ma was antun!«, schrie sie
Schwemmer entgegen. Ihre rot
Weitere Kostenlose Bücher