Tod vor der Morgenmesse
Schmied und sein Geselle das Boot hoch und zogen es auf die glatten Felsplatten am Strand. So konnten auch tückisch auflaufende Wellen ihm nichts anhaben.
Die Luft war jetzt viel ruhiger. Das Flüstern der See hielt an, eine sanfte Nachtbrise umfächelte sie. Eadulf vernahm merkwürdige, quakende Laute. Das sind lediglich die Männchen der Kreuzkröten, hieß es, die auf der Insel verbreitet sind. Von |329| Zeit zu Zeit erscholl der verärgerte Schrei einer aufgestörten Meerschwalbe oder Möwe. Er folgte dem Beispiel der anderen, die mit den Füßen aufstampften, um den Blutkreislauf wieder in Schwung zu bringen. Zu lange hatte man unbeweglich im Boot gesessen, und die Gliedmaßen waren in der Kälte erstarrt.
Mit Erstaunen sah Eadulf, wie durchdacht Gáeth die Fahrt vorbereitet hatte. Der Schmied holte einen Lederbeutel vom Boot, aus dem er eine Sturmlaterne zum Vorschein brachte. Geschickt, wie er war im Umgang mit Feuerstein und Zunder, entzündete er sie.
Er hielt die Laterne hoch, und alle drängten sich um das Licht.
»Die Insel scheint ziemlich groß zu sein«, bemerkte Fidelma und starrte in die Finsternis rund herum.
»Nicht sehr groß. Es gibt nur zwei Stellen, an denen man landen kann«, erwiderte Gáeth. »Die eine habt ihr eben erlebt. Die andere ist ein Stück weiter auf der Ostseite, und da gibt es auch eine Höhle. Hier ist keine Spur von einem Boot. Wenn sie es geschafft haben, auf den Strand zu kommen, kann es nur bei der anderen Höhle sein.«
»Hast du vielleicht noch eine Laterne?« fragte Fidelma. »Es würde Zeit sparen, wenn wir in zwei Gruppen ausschwärmen. Die eine Gruppe könnte hier alles absuchen und die andere sich die Höhle vornehmen, von der du geredet hast.«
Gáeth hatte auch das bedacht und zog eine zweite Laterne aus dem Seesack. Die war aus Bronze gearbeitet; möglicherweise hatte er sie selbst geschmiedet. Eadulf war diese Art Laternen vertraut,
lespaire
hieß sie. Sie wurden mit Öl gefüllt, welcher Art, konnte Eadulf nur vermuten.
»Ich gehe mit der einen Gruppe, und Gaimredán wird die andere führen«, bestimmte Gáeth. »Wir beide kennen die Insel, |330| und beide Gruppen sollten einen Ortskundigen bei sich haben.«
Fidelma und Eadulf machten sich mit Gáeth zur zweiten Höhle auf. Conrí und seine Männer wollten mit Gaimredán die Höhle an ihrem Landeplatz erkunden.
Eadulf war von der Überfahrt immer noch benommen und unsicher auf den Beinen. Das spürte er besonders auf dem unebenen, mit Steinen übersäten Felspfad. Doch im Dunkeln merkte es niemand.
Sie bewegten sich zunächst südwärts, gingen um einen Hügel herum, der den Mittelpunkt der Insel bildete. Eadulf fielen eigentümliche Schatten auf, die sich gegen den Nachthimmel abzeichneten. Er vermutete irgendwelche Bauwerke.
»Das sind Steinsäulen aus uralter Zeit, als unsere Götter und Göttinnen noch jung waren«, erklärte Gáeth knapp.
Es dauerte gar nicht lange, und sie standen oberhalb der zweiten Höhle.
»Wenn ihnen die Überfahrt gelungen ist, kann ihr Landeplatz nur dort unten sein, auf den glatten Felsplatten. Die Höhle wäre ein günstiges Versteck.«
»Können wir da hinuntersteigen?« Fidelma war sich unschlüssig.
»Es gibt einen Pfad, den die Altvordern durch den Fels geschlagen haben.« Er wies mit dem Daumen zu dem düster aufragenden Hügel. »Folgt mir vorsichtig und tretet nur da auf, wo ich hintrete. Man kann zwar nur drei Meter tief fallen, doch die Steine unten sind spitz und scharfkantig.« Über Felsvorsprünge kletterten sie zum Strand hinunter, wo eine Geröllbank das Meer von der Steilwand trennte. Ein Schlängelweg auf Felsplatten führte sie zum Höhleneingang. Sie hatten ihn fast sicher erreicht, als Gáeth einen leisen Fluch ausstieß und die Laterne hoch hielt.
|331| »Was ist los?« flüsterte Fidelma und mühte sich zu erkennen, was er erblickt hatte.
Der Schmied zeigte nach vorn. »Da schräg vor uns, siehst du’s?«
Ein paar Schritte weiter, und Eadulf sah in der Brandungszone zersplittertes Holz und Fetzen einer Fellbespannung.
»Ob das ihr Kanu war?« fragte Fidelma. »Ob sie es an Land bringen konnten?«
»Das werden wir bald herausfinden«, meinte Gáeth und näherte sich der Höhle. Er ging voran und leuchtete mit der Laterne Boden und Wände ab. Die Höhle war nicht groß, so daß sie nicht lange brauchten, um sich zu überzeugen, daß sie leer war.
Gáeth seufzte hörbar.
»Na, wenn Gaimredán nicht mehr Glück hat, dann weiß ich nicht,
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