Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live

wegen der EU etliche Dinge ereignet.«
    »Welche Dinge?«
    »Unserer Regierung wurden Auflagen erteilt, die erfüllt werden müssen, bevor wir der EU beitreten dürfen. ›Reißen Sie sich am Riemen‹, lautet eine Auflage. Was der EU nicht gefällt, ist unter anderem das organisierte Verbrechen in unserem Land, unsere Mafia.«
    »Ist organisierte Kriminalität denn so ein großes Problem in Bulgarien?«
    »Ein großes Problem?« Kotsev lachte. »Das kann man wohl sagen. In meinem Land sind einige Leute durch organisiertes Verbrechen sehr reich geworden. Und zwar so reich, dass sie ganze Fußballvereine oder Spielcasinos in Sunny Beach kaufen.
Ihr Königreich regieren sie mit Gewalt – mit Prügelstrafe und Erschießungen. Diese Männer sind völlig rücksichtslos und sehr mächtig. Wir nennen sie Mutras . Clevere und grausame Mörder.«
    » Mutras ?«
    »Im Bulgarischen bedeutet mutra ›hässliches Gesicht‹. Wenn Sie diese Leute einmal sehen könnten, würden Sie verstehen. Viele von ihnen sind ehemalige Bodybuilder oder Ringer, die sich nach einer neuen Betätigung umsehen mussten. Also haben sie schießen gelernt und sich mit zwielichtigen Geschäftsleuten verbündet, um Bulgarien nach der Wende auszubeuten. Wissen Sie, was ich mit der Wende meine? Die Ereignisse von 1989.«
    »Oh, das Ende des Kommunismus?«
    Kotsev nickte. »Nun, diese Leute machten sich einen Namen, indem sie Geschäften Sicherheitsdienstleistungen anboten – gegen eine monatliche Gebühr, versteht sich. Wer sich weigerte zu bezahlen, fiel wiederholt Raubüberfällen zum Opfer. Man könnte das als Bewachungsgeschäft bezeichnen. Inzwischen fahren Mutra -Bosse in bewaffneten Konvois herum, und die einzige Möglichkeit, wie wir sie loswerden können, ist die, dass sie sich gegenseitig beseitigen. Diese Leute benehmen sich, als würden sie in einem Hollywood-Film leben. Wir haben Anton, den ›Schnabel‹, und Vassil, den ›Skalp‹. Bislang sind sie unantastbar.«
    »Warum sind sie unantastbar, Georgi?«
    Kotsev tippte sich an die Nase. »Beziehungen. Angeblich verdanken einige unserer hochrangigsten Regierungsmitglieder ihre Position Verbindungen mit diesen Gangstern. Und jetzt befinden sie sich in einer schwierigen Situation. Unsere Regierung möchte der Europäischen Union beitreten, aber die Europäische Union fordert, dass wir unsere Mafia loswerden. ›Wenn die Polizei Strafzettel verteilt, aber organisierter Kriminalität im großen Stil den Rücken zuwendet, stellt sich
die Frage, wie demokratisch euer Land ist‹, sagen sie. Würden Sie dem zustimmen?«
    »Ja, eigentlich schon.«
    » Dobre . Da haben Sie unser Problem. Leider wird sich unser Beitritt verzögern, wenn wir auf diesem Gebiet keine Fortschritte machen. Das ist ein sehr großes Problem.«
    »Ich verstehe.«
    »Aber«, sagte Kotsev und hob die Hand, »so groß ist das Problem auch wieder nicht. Plötzlich geschieht ein Wunder! Und jetzt läuft alles nach Plan.«
    »Ein Wunder?«
    »In den vergangenen zwei Jahren wurden einige der mächtigsten Mafiabosse getötet. Einer von ihnen wurde erschossen, als er ein Casino verließ, in dem er einen Sieg seines Fußballvereins gefeiert hatte. Ein anderer wurde mit seinen Leibwächtern vor einer Bar ermordet. Es wurden sogar ganze Familien ausgelöscht, wie es früher oft bei Blutfehden der Fall war. Wie es scheint, wurden alle diese Morde von einem professionellen Schützen verübt. Möglicherweise auch von mehreren, das wissen wir nicht. Die Täter wurden nie identifiziert, geschweige denn gefasst. Die offizielle Theorie spricht von einem Krieg zwischen rivalisierenden Banden, die Killer engagiert haben, damit diese die Schmutzarbeit erledigen.«
    »Das klingt plausibel.«
    »Ja, natürlich.« Er hielt erwartungsvoll inne.
    »Wollen Sie damit sagen, dass die Zhivkos auf diese Weise gestorben sind?«, fragte Fry.
    Kotsev machte eine entschuldigende Geste. »Sie müssen verstehen, dass es vieles gibt, worüber ich nicht sprechen darf.«
    »Ich bin zu rangniedrig, ist es das?«
    »Ich bitte um Verzeihung, Sergeant. Aber die Brüder Zhivko steckten bei dieser Sache mittendrin, wissen Sie. Zuerst auf der einen Seite, als Agenten von einem führenden Mutra -Boss.
Dann waren sie plötzlich auf der Verliererseite. Die Zhivkos schwebten in Lebensgefahr und mussten das Land verlassen. Doch auch hier in England waren sie nicht in Sicherheit.«
    Fry wusste, dass es noch etwas anderes gab, was er ihr verschwieg. Sein Schweigen lud zu einer