Todesstoß / Thriller
irgendwann gehen«, sagte Noah.
»Aber ich bin nicht scharf drauf, das heute schon zu tun«, erwiderte Jack. »Los, lass uns den Hocker auftreiben.«
»Anschließend fahren wir zu Brisbanes Adresse. Vielleicht ist Mrs. Kobrecki ja endlich aufgetaucht.«
»Und mit ihr der Enkel mit der Vorliebe für Höschen.«
»Genau.«
Montag, 22. Februar, 11.15 Uhr
Eve stand vor dem Büro ihres Studienbetreuers und versuchte, ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen. Sie hatte eine Stunde lang in ihrem Seminar gesessen, ohne sich auf ein einziges Wort konzentrieren zu können.
Martha ist tot.
Du musst etwas tun.
Nur
was?
Vielleicht hatte Marthas Selbstmord überhaupt nichts mit der Teilnahme an Eves Studie zu tun.
Aber das kann ich nicht mit Sicherheit sagen.
Sie hatte fünf weitere kritische Fälle – Testpersonen, deren Spielzeit in den vergangenen Wochen drastisch in die Höhe gegangen war. Keiner dieser Probanden war vorher Ultra-User gewesen, keiner hatte Erfahrung mit virtuellen Welten oder Rollenspielen gehabt. Doch nun waren sie Shadowland verfallen.
Sie hob die Hand und klopfte verhalten an die Tür. »Dr. Donner?«
Dr. Donner schaute auf. »Miss Wilson. Hatten wir unsere letzte Besprechung nichts erst am Donnerstag?«
»Ja, aber ich muss mit Ihnen reden.«
»Dann treten Sie ein«, sagte er mit einem Blick auf das Fachblatt, das er gerade gelesen hatte.
Eve hatte ihn von Anfang an nicht gemocht, und daran hatten die zwei Jahre, die sie an der Marshall an ihrem Diplom arbeitete, nichts geändert. Er hatte sich anerboten, als ihr Studienbetreuer zu fungieren, weil ihn angeblich das Thema ihrer Diplomarbeit interessierte. Vor allem aber war es zur Veröffentlichung geeignet, was in der akademischen Welt, die nach dem Motto »Publizieren oder krepieren« funktionierte, ein schlagkräftiges Argument war. Man munkelte, dass Donner es nötig hatte. Sein Name war seit langem schon in keinem wichtigen Fachblatt mehr erschienen.
Und daher würde er über das, was sie ihm sagen musste, nicht erfreut sein.
»Nun?« Er warf die Zeitschrift auf einen Stapel anderer Fachblätter. »Was kann ich für Sie tun, Miss Wilson?«
»Ich mache mir Sorgen wegen einiger Testpersonen, Dr. Donner.« Sie schlug ihr Notizbuch auf, in dem sie die Identifikationsnummern der Probanden aufgeschrieben hatte, als wüsste sie sie nicht in- und auswendig. Als kannte sie nicht sogar die dazugehörigen Namen.
»Und?«, fragte er ungeduldig. »Wieso?«
»Ich stelle ein Anwachsen der Spielzeit um mehr als dreihundert Prozent fest und befürchte, dass dieses veränderte Verhalten ihre Lebensqualität einschränkt. Und in manchen Fällen sogar das Aufkommen für den Lebensunterhalt.«
Donner studierte schweigend Eves Gesicht, und am liebsten wäre sie zurückgewichen, aber natürlich tat sie es nicht. Sie hatte in ihrem Leben schon weitaus schlimmeren Schreckgespenstern gegenübergestanden als Donald Donner.
»Miss Wilson, woher wissen Sie, wie viel Zeit die Person mit dem Spiel verbringen?«
Auf diese Frage war sie vorbereitet. »Ich kann zu jedem beliebigen Zeitpunkt eine Suche starten und weiß, wer sich gerade in Shadowland aufhält. Ich habe meinen Computer so programmiert, dass er mehrmals am Tag sucht, und diese Zahlen sind ein Durchschnittswert.« Was keine Lüge war.
»Clever«, murmelte er. »Aber können Sie auch beweisen, dass diese Probanden wirklich aktiv spielen und nicht, sagen wir, einfach nur vergessen haben, sich auszuloggen?«
Ja. Weil ich ebenfalls drin bin.
Weil sie mit ihnen redete, interagierte.
Sie beobachtete.
Seine Augen verengten sich, als sie keine Antwort gab. »Miss Wilson? Kann Ihr Suchprogramm zwischen aktiver Spielzeit und passiver Verweildauer diffenzieren?« »Nein, kann es nicht«, murmelte sie.
»Füllen die Probanden ihre Selbstbewertungsbögen aus?«
»Ja, und die Resultate sind vielversprechend. Zwanzig Prozent der Probanden sagen, sie seien nach den Übungen zur Selbstverwirklichung in der virtuelle Welt auch in der Realität selbstbewusster. Aber ich mache mir Sorgen, dass für einige Probanden die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fantasie verschwimmt.«
Er runzelte die Stirn. »Weisen sie quantifizierbare Depressionen oder Persönlichkeitsveränderungen auf?«
»Nein. Aber im vergangenen Monat mussten sie sich auch keinen Tests unterziehen. Diejenigen, um die es mir geht, sind erst wieder in ein, zwei Wochen an der Reihe.«
Er entspannte sich. »Dann finden wir in ein, zwei Wochen ja
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