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Todestanz

Todestanz

Titel: Todestanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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Männer, die Kinder bevorzugten. Die Lolita-Lover, wie sie sich selbst nannten.
    Clare fuhr Ritas Computer herunter. Sie schob den Stuhl
zurück und dachte an das Interview, das sie einige Jahre zuvor für ihre Doktorarbeit in der Klinik aufgezeichnet hatte. Die standhafte Behauptung der Direktorin, dass die Betroffenen oft gebrochene Persönlichkeiten seien, die Empathie und Liebe neu lernen mussten. Sie und Clare hatten keinen gemeinsamen Nenner gefunden. Clare bezweifelte, dass man sie überhaupt durch das Eisentor der Klinik lassen würde. Und selbst wenn, würde das Arztgeheimnis verhindern, dass sie die Namen der Männer erfuhr, die an den Gruppensitzungen teilnahmen. Selbst wenn sie ihre Liste freiwilliger ambulanter Patienten mitbrachte.
    Ein Lärmschwall im Korridor.
    Als alles wieder still war, huschte sie hinaus und auf die Straße.
    Clare war auf sich allein gestellt. So wie es ihr am liebsten war.
    Â 
    Die New Beginnings Clinic lag diskret verborgen in den Ausläufern des Lion’s Head. Auf dem Rasen davor saß ein schweigender Kreis von Teenagern mit leeren Augen und Bongos zwischen den Knien. Nach ein paar Minuten erschien ein Therapeut, und alle begannen einen gehorsamen Rhythmus zu schlagen.
    Das Gebäude war mit Überwachungskameras gespickt. Bestimmt gab es irgendwo in den Eingeweiden der Klinik eine ganze Wand von Monitoren. Ein sehniger, finster blickender Mann stand als Torwächter mit verschränkten Armen vor dem Eisengitter und fixierte sie unverwandt. Ein Schild über seinem Kopf: »Zutritt nur nach vorheriger Vereinbarung«.
    Clare ging vorbei.
    An der Straßenecke eine weitere Kamera. Diesmal eine städtische. Ihr schwarzes Auge spähte auf eine alte Frau nieder,
die mit gesenktem Kopf einen geflochtenen Einkaufskorb unter den Bäumen entlangschleppte. Alles voller Kameras, genau wie Clare es in Erinnerung gehabt hatte.
    Sie suchte die Telefonnummer des Cyclops Centres heraus.
    Arno Pretorius reagierte am Telefon genauso barsch wie im persönlichen Gespräch.
    Â»Koordinaten?«
    Sie nannte ihm die Adresse und die Querstraße und wartete auf seinen Rückruf.
    Â»Glück gehabt«, sagte er. »In diesem Viertel sollen die deutschen Fußballfans untergebracht werden. Für 2010 wurde alles mit Kameras behängt. Dienstags und donnerstags, sagen Sie?«
    Â»Ja«, bestätigte Clare. »Die fünfzehn Minuten bis achtzehn Uhr. Und dann die fünfzehn Minuten nach zwanzig Uhr.«
    Â»Wie lange brauchen Sie hierher?«
    Â»Etwa zehn Minuten.«
    Â»Ich kopiere alles auf eine Disk. Sie liegt dann für Sie bereit.«
    Clare warf einen letzten Blick auf die Klinik, deren Mauern mehr Sünden verbargen als ein katholischer Beichtstuhl. Im obersten Stock schob eine Frau eine Fensterscheibe nach oben. Sie hob die Hand. Eine Segnung oder eine Verwünschung. Aus dieser Entfernung unmöglich festzustellen.

Dreiundfünfzig
    Mister Henrys Erdgeschosswohnung lag in einem abgewohnten Sozialbau. Die Vorhänge waren immer noch zugezogen. Noch keine Bewegung zu sehen. Zu früh, als dass er
schon in die Ballettschule gefahren sein konnte; zu arm, als dass er frühstücken gegangen war. Clare hatte ein Stück entfernt am Straßenrand angehalten und lauschte vom Fahrersitz aus dem Bellen und Kläffen der Hunde in der Nachbarschaft.
    Zwanzig Minuten später sah Clare ihn im Rückspiegel. Sie rutschte tiefer in ihren Sitz und beobachtete ihn beim Näherkommen. Den Kopf gesenkt, die Schultern hochgezogen, die Hände tief in den Taschen seines langen schwarzen Mantels vergraben. Er nahm seine Post mit – nur Reklame, sie hatte nachgesehen – und verschwand im Haus.
    Sie wartete noch einmal fünf Minuten und überquerte dann den mit Müll übersäten Vorgarten. Die Terrassentür lag rechts. Henry saß auf einem Stuhl vor einem flackernden Computerbildschirm.
    Er riss sich die iPod-Stöpsel aus den Ohren.
    Sie klopfte erneut, er fuhr auf seinem Drehstuhl herum und erbleichte, als er Clare erkannte. Er kam zur Tür und öffnete sie. »Was wollen Sie hier, Dr. Hart?«
    Â»Wir müssen uns unterhalten«, sagte Clare. Aus dem Kopfhörer tröpfelte klassische Musik. Persephone.
    Â»Worüber?« Mister Henry humpelte zu seinem Bildschirm zurück und sackte wieder in den Stuhl. Er griff nach der Maus und verdeckte dabei mit der Hand das Bild eines Kindes auf dem

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